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Kratzer im Lack

Kratzer im Lack

Titel: Kratzer im Lack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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Nachhinein nicht mehr so schlimm vor. Und außer diesem einen hat es keinen anderen für mich gegeben als dich. Und die Zeit, Theo, du musst doch auch an die Zeit denken. Wie wir ständig in Angst gelebt haben, in Todesangst. Du weißt doch, wie das damals war. Jede Nacht Bomben. Jede neue Nachricht nur noch schlimmer als die vorher. Und von dir hatte ich so lange keine Post bekommen, kein Lebenszeichen, nichts. In dieser Zeit habe ich ihn kennen gelernt. Ein bisschen Freude hat er mir in diese Tage gebracht, ein bisschen Wärme und Vergnügen. Ist das wirklich so schlimm gewesen, Theo? Hast du das nicht verstehen können?
    An den Spiralen des Tauchsieders bilden sich Luftbläschen, steigen im Wasser auf und kräuseln die Oberfläche. Sie nimmt die Tasse, gießt heißes Wasser hinein und hängt einen Teebeutel über den Rand. Das war früher Theos Kaffeetasse. Morgens hat er immer dieses Gemisch aus Kaffee, Milch und Zucker daraus getrunken, das er Café-au-lait genannt hat.
    Sie trinkt schon lange keinen Bohnenkaffee mehr, nur sonntags im Café die eine Tasse. Sie verträgt ihn nicht mehr, sie hat einen empfindlichen Magen und bekommt leicht Sodbrennen, wenn sie Kaffee trinkt.
    Sie setzt sich auf den Stuhl und stellt die Tasse vor sich auf den Verkaufstisch. Es ist erst halb acht. Vor drei viertel kommt er nicht.
    Hab Vertrauen zu mir, Junge, wird sie sagen. Ich will dir helfen. Du brauchst keine Angst zu haben, ich verrate dich nicht. Helfen will ich dir.
    Er wird überrascht sein, ängstlich zuerst, doch dann wird er froh sein, dass er reden kann, wird ihr sagen, warum er das gemacht hat, und sie werden zusammen überlegen, wie man die Sache wieder in Ordnung bringen kann. Denn in Ordnung gebracht werden muss sie. Irgendwie. Anonym könnte man das Geld schicken, einfach keinen Absender angeben oder einen, den es gar nicht gibt.
    Dreihundert Mark. Das ist viel Geld. Aber was ist schon Geld, wenn die Zukunft eines Jungen davon abhängt.
    Der Tee ist immer noch sehr heiß und schmeckt schal. Sie hat den Zucker vergessen. Zwei Würfel holt sie. Ein paar Tropfen Tee spritzen auf die Theke, als sie den Zucker in die Tasse fallen lässt. Sie nimmt einen Lappen und wischt sie weg.
    Die Tür geht auf. Sie muss sich beim Aufstehen auf die Theke stützen, weil ihre Beine so weich werden. Ich brauche doch vor einem Kind keine Angst zu haben, denkt sie. Warum habe ich Angst?
    »Zwei Banjos«, sagt er. »Zwei Banjos, bitte.«
    Er schaut sie nicht an, er hat den Kopf gesenkt, halb zur Seite. Dort auf dem Boden gibt es doch nichts zu sehen. Warum macht er das? Er legt eine Mark fünfzig auf die kleine Gummidecke, sie holt das Zehnerl zum Rausgeben aus der Kasse.
    »Ich wollte dir etwas sagen.« Sie sagt das viel zu laut. Ihre Stimme prallt an ihm ab. Sie weiß das in dem Moment, als sie anfängt zu reden.
    Er hebt den Kopf und schaut sie hochmütig an. Alles ist wie weggeblasen, alles, was sie sich vorher überlegt hat. Was kann man auch sagen in so ein starres, ablehnendes Gesicht.
    »Schmecken dir Banjos so gut?«, fragt sie und schämt sich, weil sie so feig ist. Sie greift nach den Banjos und betrachtet sie. Das Erschrecken in seinem Gesicht und dann die Erleichterung sieht sie nicht, hört nicht das laute Ausatmen.
    »Ja«, sagt Herbert.
    Sie stopft die Banjos mit zitternden Fingern in eine Sternchentüte, hält sie ihm hin, kann ihn nicht lange anschauen. Sein Gesicht ist kalt und abweisend. Sie kann diese Schicht aus Angst und Ablehnung nicht durchdringen.
    »Da, deine Banjos«, sagt sie.
    Er nimmt die Tüte. »Auf Wiedersehn, Frau Kronawitter.«
    »Auf Wiedersehn, Herbert.«
    Die Tür fällt hinter ihm zu. Sie setzt sich wieder hin. Leer fühlt sie sich, ausgelaugt, alt und nutzlos.
    Ludwig, ich hätte dir nicht helfen können. Ich nicht. Ich tauge nichts. Ich bin zu schwach. Du hast es gewusst, Ludwig, deshalb hast du kein Vertrauen zu mir gehabt. Ganz Recht hast du gehabt, Ludwig, ganz Recht.
    Die Schatten vor ihren Augen werden zu Nebeln. Sie stützt die Ellenbogen auf die Theke, legt den Kopf in die Hände.
    Was ist denn mit mir los, denkt sie, ich werde mich doch nicht so aufregen wegen so einem Kind.
    Und dann fällt sie in die graue Watte.
    Eine Stimme dringt zu ihr, durch den Nebel hindurch. Ihr Name, ja, das ist ihr Name, so heißt sie. Der Name hält sie fest, zieht sie heraus aus der Dunkelheit, der Name bringt sie zurück.
    Das Licht tut ihren Augen weh.
    »Frau Kronawitter.«
    Wer ist das? Sie kennt die

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