Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kraut und Rübchen - Landkrimi

Kraut und Rübchen - Landkrimi

Titel: Kraut und Rübchen - Landkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
herumgesprochen. Wir verkauften meine Tees und andere Mischungen gegen viele Zipperlein. Trotz der harten Zeit ging es uns gut. Hier auf dem Land hörten wir nichts von den Dingen in der Welt und der Politik. Hier war anderes wichtig. Die Ernten, das Wetter, die Tiere. Agnes stand ihren Mann, und ich bewunderte sie dafür. Sie holte oft meinen Rat ein. Die natürlichen Grenzen zwischen ihr und mir, zwischen Magd und Herrin, oben und unten, lösten sich auf.
    Eines Abends rief sie mich zu sich, bat mich an den Tisch und schob mir eine Schiefertafel und einen Griffel zu.
    »Kannst du lesen und schreiben?«, fragte sie mich und zeigte auf die Tafel.
    »Nein.«
    »Dann wird es Zeit.« Sie schrieb eine Reihe Zeichen auf die Tafel. »Hier. Das Alphabet. Fangen wir an.«
    Von diesem Tag an saßen wir jeden Abend zusammen, und sie übte mit mir das Lesen und das Schreiben. Ich machte schnell Fortschritte.
    »Du solltest aufschreiben, was du über die Pflanzen und Kräuter weißt, wie du deine Mischungen zusammenstellst«, sagte sie an einem Abend zu mir und legte ein leeres Heft vor mich hin. »Es wird uns hier von Nutzen sein, wenn du an Michaeli weggehst, wie es die Tradition ist.«
    Ich war erschrocken über ihre Worte. »Willst du, dass ich mir einen anderen Herrn suche?«
    »Nein, aber du bist jung, und ich dachte, du willst vielleicht weiterziehen. Ich möchte, dass du bleibst.«
    »Sehr gern.«
    Agnes lächelte zur Antwort.
    Ich nahm das Heft an mich. Die Seiten knisterten beim Umblättern. Ich drückte es an meine Brust und trug es in meine Kammer.
    Wir hatten genügend zu essen, die Tiere gediehen, die Knechte und Mägde murrten nicht. Trotzdem trafen uns die Blicke der anderen Dörfler beim Kirchgang. Ein herrenloses Gut. Das konnte keinen langen Fortbestand haben. Weiberherrschaft führte zu nichts. Ich sah sie tuscheln. Agnes wollte es nicht hören.
    Mehr als einmal kam der Ortsvorsteher zu uns, redete auf Agnes ein, den Hof zu verkaufen oder einen neuen Mann zu nehmen. Die Last und die Verantwortung allein zu tragen sei nichts für ein schwaches Weib. Agnes blieb immer höflich, versprach, darüber nachzudenken, aber wenn er vom Hof geritten war, brach die Wut aus ihr heraus. Über die Arroganz der Männer, ihre Überheblichkeit, den Frauen keinen Wert zuzusprechen. Ihre selbstverständliche Annahme, dass Frauen allein nicht zum Leben taugten.
    Es klirrte, und ich schrak zusammen. Herr Hoppenstedt war aus seinem Versteck gekrochen und leckte misstrauisch an seinem Futter, bevor er sich dazu entschloss, den einen oder anderen Bissen zu sich zu nehmen.
    Mein Magen knurrte, und ich ertappte mich dabei, den Geruch des Katzenfutters appetitlich zu finden. Ein untrügliches Zeichen für akute Unterzuckerung. Mila Seidenmachers Kuchen hatte zwar wunderbar geschmeckt, hielt aber nicht besonders lange vor.
    Ich sah auf die Uhr. Halb fünf. Vermutlich gab es hier im Ort keinen Laden, und ich musste erst ewig weit durch die Gegend fahren, bevor ich einkaufen konnte. Früher hatte Marion mich immer einige Straßen weiter in einen kleinen Tante-Emma-Laden geschickt, um Besorgungen zu machen. Dort gab es direkt gegenüber der Eingangstür ein komplettes Regal mit offenen Dosen, aus denen man sich die Süßigkeiten in kleine Tüten sortieren konnte. Aber dieses Geschäft hatte schon vor Jahren geschlossen und das Ladenlokal sich in eine Wohnung gewandelt. Ich zog mein Handy aus meiner Handtasche, öffnete den Browser und erinnerte mich im gleichen Augenblick an den miesen Empfang hier draußen. Telefon ging, aber was das Internet betraf, war Kleinhaulmbach definitiv Diaspora. Ich seufzte, wog den Hunger gegen die Neugierde ab und las weiter.
    Als Arnold Froböss hoch zu Ross auf dem Hof erschien, ahnte ich nichts Gutes. Froböss gehörte das angrenzende Gut, und er führte dort ein hartes Regiment. Knechte und Mägde redeten miteinander über ihre Herren, und zu Froböss gingen sie keinen zweiten Sommer. Seit vor drei Jahren seine Frau gestorben war, herrschte ein noch rauerer Ton auf dem Hof. Agnes und ich waren allein, alle anderen auf dem Feld.
    »Wo ist die Bäurin?«, herrschte er mich an, noch bevor er abgestiegen war und mir den Zügel zugeworfen hatte.
    »In der Stube.« Ich führte das Pferd zur Tränke und band es fest. Schweiß glänzte auf den Flanken des Tieres, und im Fell auf seiner Kuppe erkannte ich die Spuren harter Peitschenhiebe. Ich klopfte seinen Hals und wandte mich ab, um ihm eine Handvoll Hafer zu

Weitere Kostenlose Bücher