Kraut und Rübchen - Landkrimi
Er hatte Glück im Unglück gehabt. Der große Wackerstein, mit dem wir unseren Heuwagen vor dem Wegrollen sicherten, lag nur wenige Zentimeter neben seinem Kopf.
Froböss stöhnte. Er drehte sich langsam zur Seite, sein Atem beruhigte sich. Wäre er auf den Stein aufgeschlagen, seinen Schädel hätte es gespalten. Der stolze Gutsherr, gestorben bei einem Reitunfall. Tot. Ich atmete tief ein. Es wäre die beste Lösung. Ein Reitunfall.
Ich bückte mich und hob den Stein mit beiden Händen auf. Kurz …
»Entschuldigung?« Eine Hand legte sich von hinten auf meine Schulter.
Ich schrie und sprang auf. Der Stuhl polterte mit lautem Getöse über den Küchenfußboden. Mit meiner linken Hand schlug ich wild nach hinten und schien Erfolg gehabt zu haben. Jemand stöhnte. Ich fuhr herum, die Hände in der Angriffshaltung erhoben, die ich vor Jahren in einem Selbstverteidigungskurs gelernt hatte. Vor vielen Jahren. Mir war klar, dass ich es besser nicht auf den Ernstfall ankommen lassen sollte. Aber solange mein Angreifer sich darüber nicht ebenfalls im Klaren war, standen die Chancen fünfzig zu fünfzig.
Der Mann wich vor mir zurück und hob abwehrend die Hände. Aus seiner Nase tropfte Blut auf den Boden. Er bemerkte es und streckte langsam seine linke Hand in Richtung der Papiertuchrolle aus, die neben ihm an der Wand hing.
»Darf ich?«, fragte er und zeigte auf die Rolle. »Du hast ganz schön zugeschlagen.«
»Was wollen Sie von mir?«, keifte ich und setzte meinen bedrohlichsten Blick auf. Er riss mit einer Hand ein paar Blätter ab und hielt sie sich unter die Nase. Er ging zum Waschbecken, drehte den Wasserhahn auf, wusch sich unter dem laufenden Wasserstrahl das Blut aus dem Gesicht und presste das angefeuchtete Tuch auf die Nasenwurzel. Ich ließ ihn nicht aus den Augen.
»Ich bin der örtliche Tierarzt«, stellte er sich nuschelnd vor und hielt mir aus seiner gebückten Haltung eine nasse Hand zur Begrüßung hin. »Ich wollte dir mit den Ziegen helfen. Mila hat mir Bescheid gesagt.«
Ich gab die Kampfhaltung auf, beugte mich vor und schüttelte seine Hand. Er schien keinen direkten Angriff auf mich zu planen.
»Katharina Rübchen.«
»Ich weiß.« Er richtete sich auf, und ich reichte ihm eines der Geschirrhandtücher, mit denen die Kühlschranktür vor dem Zufallen gesichert war.
»Es tut mir leid.« Ich wies auf seine Nase. »Ich hoffe, sie ist nicht gebrochen.« Er tastete vorsichtig über sein Gesicht und versuchte ein schiefes Grinsen.
»Keine Angst. Als Landtierarzt ist man einiges gewohnt. Die Kühe in den Ställen nehmen auch keine Rücksicht.«
»Aha.« Na wunderbar. Mit einer Stallkuh war ich bisher noch nicht verglichen worden. Er blickte auf das aufgeschlagene Tagebuch auf dem Tisch.
»Habe ich dich bei etwas Wichtigem gestört?«
»Nein.« Hastig schlug ich das Buch zu und nahm es an mich. Ich lächelte ihn übertrieben an. Warum duzte er mich so penetrant? Gehörte das hier zum guten Ton?
Ich hatte den Eindruck, dass ihm noch etwas unter den Nägeln brannte, aber er schwieg.
»Sie sagten, Sie wollten mir mit den Ziegen helfen?«, fragte ich schließlich und brach so das Schweigen, das für meinen Geschmack bereits einige Sekunden zu lange andauerte.
»Ja. Das sagte ich.« Er blieb stehen.
»War das eine reine Absichtserklärung, oder wollen Sie Ihren Worten auch Taten folgen lassen?« Ich drehte mich um, öffnete den Hängeschrank, vor dem ich gerade stand, und schob das Buch zwischen zwei Tellerstapel. Hier stand es erst einmal gut. So lange würde er ja nicht bleiben. Ich wollte so schnell wie möglich wissen, wie es mit Hilda und Agnes weiterging. Und mit Froböss. Aber jetzt war erst einmal der Tierarzt dran. Oder besser gesagt die Ziegen.
Wenn ich ehrlich war, konnte ich heilfroh sein, dass Mila meine Ahnungslosigkeit mit den Ziegen richtig erkannt und ihn informiert hatte. Womöglich hätte ich den Tieren noch das falsche Futter gegeben, und sie hätten furchtbare Bauchkrämpfe bekommen. In Gedanken notierte ich mir die Ziegenhaltung als erstes Stichwort für meinen »Natürlich Land«-Artikel. Dann wandte ich mich wieder dem Tierarzt zu. »Wollen wir? Ich wäre so weit.«
Er musterte mich von oben bis unten. »Wenn du meinst. Besser, du ziehst dir etwas anderes über.« Er trat zur Spüle und warf die Papiertücher in den Mülleimer, der sich im Schrank darunter befand.
Noch jemand, der sich im Haus meiner Tante Marion erstaunlich gut auskannte.
Frauenmantel ,
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