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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Bleif
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medizinischer Artikel verzeichnete im Jahr 2010 weit über 50

000 Aufsätze zu diesem Stichwort. 33
    Ähnlich wie das Retinoblastom-Protein wirkt P53 in erster Linie als Bremsklotz. Wenn die Konzentration von P53-Proteinen in der Zelle ansteigt, blockiert das Protein den Übergang der Zelle von der G1- in die S-Phase, aber auch den Eintritt der späten G2-Phase in die Mitose. 34 Die Konzentration von P53 steigt, wenn entsprechende Kontrollmechanismen eine Zunahme von DNA-Schäden melden. Die Arretierung des Zellzyklus an solchen Kontrollpunkten ist eine Art Moratorium. Die Zelle hat Gelegenheit, die Schäden ihrer DNA zu reparieren, bevor sie an die Tochtergenerationen weitergegeben werden. Das P53-Protein hat aber noch eine weitere wichtige Eigenschaft. Sind die DNA-Schäden zu ausgeprägt und misslingt die Reparatur, verwandelt sich P53 vom Bremsklotz zum Harakiri-Schwert. Es treibt irreparabel geschädigte Zellen in den Selbstmord. Auf diese Weise schützt P53 vor der fatalen Wirkung ionisierender Strahlung oder mutagener Chemikalien.
    Diese Kombination von Bremsklotz und Harakiri-Schwert hat dem tp53-Gen den Beinamen »Wächter des Genoms« eingebracht. P53 hat noch unzählige weitere Funktionen, die zu schildern den Rahmen dieses Buches eindeutig sprengen würde. Wichtig ist aber, dass bei über der Hälfte aller menschlichen Krebserkrankungen eine Inaktivierung von tp53 zu beobachten ist.
    Tumorsuppressor-Gene wie tp53 oder rb werden auch Torwächter-Gene genannt. Sie sind zentrale Schaltstellen des ungeheuer komplizierten molekularen Apparats, der die einzelnen Zellen in den Dienst des Organismus stelltund für ein wohl ausgewogenes und stets bedarfsorientiertes Gleichgewicht zwischen Produktion und Verlust von Zellen sorgt. Die Homöostase der Gewebe birgt immer noch ihre Geheimnisse. Mittlerweile sind zwar die meisten Mitspieler des Apparats der Wachstumskontrolle entdeckt, aber die Regeln des Spiels sind noch längst nicht vollständig entschlüsselt. Es handelt sich um ein riesiges Netzwerk von »Checks« und »Balances«, das durch einen einzelnen Eingriff nicht so leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen ist. Fast immer müssen mehrere Bremsen gelockert, muss gleichzeitig an verschiedenen Stellen Gas gegeben werden, damit eine Zelle aus der Bahn geworfen wird. Hinzu kommt, dass die Maschinerie, die das Wachstum von Zellen reguliert, sich von Zelltyp zu Zelltyp im Detail durchaus unterscheidet. Nicht immer ist eine identische Kombination von Genen und Proteinen an der Entstehung einer Krebszelle beteiligt. Viele hundert Gene unseres genetischen Textes haben Einfluss auf die Homöostase der Gewebe, aber in verschieden Zelltypen sind nie alle Gene in der gleichen Konstellation aktiv. Jeder Zelltyp stellt aus dem Pool regulatorischer Proteine seine individuelle Mannschaft zusammen, die ihr ganz eigenes Interaktionsmuster entwickeln kann. Was in einer Schleimhautzelle von Bedeutung ist, mag in einer Nierenzelle oder einer Nervenzelle belanglos sein. Dieses Phänomen der Zelltypspezifität macht die Krebsforschung nicht eben einfacher.

Das Handicap-Rennen: Aufpasser-Gene und die genetische Instabilität
    Montag, 14. Juli 2008
    U nwissenheit kann manchmal ein Segen sein – und Wissen ein Fluch. Noch schlimmer als der Fluch der schlechten Botschaft aber ist das Leben in der Grauzone der Ungewissheit. Imogen hatte sich entschieden. Wir saßen im Wartezimmer der Abteilung für Humangenetik der Tübinger Universität.
    Mittlerweile hatte sie die ersten Kurse Chemotherapie hinter sich gebracht, und immerhin schien der Tumor in ihrer rechten Brust kleiner zu werden. Jetzt wollte sie einer möglichen Ursache ihrer Krebserkrankung auf die Spur kommen. Als sie vor etwas mehr als fünf Monaten den Knoten zum erstenMal getastet hatte, versuchte ich sie (und mich) mit Hilfe der Statistik zu beruhigen. Brustkrebs ist zwar die häufigste Krebserkrankung der Frau. In Europa trifft es etwa jede zehnte, in den USA sogar jede achte Frau im Laufe ihres Lebens. Aber auch hier gilt die Altersregel. Bei Frauen im Alter von 35 Jahren ist Brustkrebs eine seltene Erkrankung. Das Erkrankungsrisiko ist um ein Vielfaches niedriger als jenseits des 50. Lebensjahrs. Warum sollte ausgerechnet Imogen unter den Betroffenen sein?
    Während unseres Studiums hatte mir einen älterer Professor für Innere Medizin, eine gewiefter Diagnostiker, die ebenso triviale wie wichtige Regel »Was häufig ist, ist häufig – Was selten ist, ist

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