KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind aber in der Reihenfolge abnehmender Häufigkeit die Knochen, die Lunge, die Leber und das Gehirn betroffen.
Bei Frau Z. begann es mit einem unerklärlichen Jucken. Obwohl ihre Haut keinerlei Stiche oder sonstige Veränderungen aufwies, quälte sie seit einigen Wochen ein penetranter Juckreiz. Ihr Hausarzt war zunächst ratlos und verschrieb ihr gegen das Jucken eine Salbe, die aber ohne jede Wirkung blieb. Als sie beim zweiten Besuch über eine merkwürdige Hellverfärbung ihres Stuhls und über dunklen Urin berichtete, wurde der Kollege hellhörig. Er sah genauer hin und stellte fest, dass ihre gesamte Haut eine gelbliche Verfärbung aufwies. Sofort zog er die richtigen Schlüsse und machte eine Ultraschall-Untersuchung ihrer Leber.
Auf dem Bildschirm zeigte sich ein großer Knoten im Bereich ihrer Leberpforte. Dieser Knoten verlegte den Gallengang, so dass sich die Galle in die Leber zurückstaute. Dass es sich bei dem Knoten um einen bösartigen Tumor handelte, daran war kaum zu zweifeln. In Europa ist allerdings der primäre Krebs der Leber, das hepatozelluläre Karzinom, eine seltene Erkrankung. Die wahrscheinlichere Ursache war eine Metastase einer Tumorerkrankung, die in einem ganz anderen Organ entstanden ist. Die sich anschließenden Untersuchungen brachten rasch die wahre Ursache ans Tageslicht: Frau Z. litt an einer schnell wachsenden Form von Lungenkrebs.
Leider bleiben Lebermetastasen oft lange stumm und daher unerkannt. Ein Stau der Galle ist eher die Ausnahme und nicht die Regel. Da nur die Leberkapsel, nicht aber das Lebergewebe selbst über Schmerzrezeptoren verfügt, verursachen Tumoren in der Leber in der Regel auch keine Schmerzen. Lebermetastasen werden daher oft zufällig bemerkt. Manchmal liefert die Erhöhung der Konzentration bestimmter Leberenzyme im Blutserum einen ersten Hinweis, der eine bildgebende Untersuchung der Leber nach sich zieht.
Ähnlich verhält es sich
mit Metastasen in den Lungen. Auch sie sind meist schmerzlos und asymptomatisch. Da die Lunge gemessen an normalen körperlichen Belastungen über luxuriöse Überkapazitäten verfügt, verursachen Metastasen in den seltensten Fällen Atemnot. Nur wenn der Krebsbefall der Lungen extrem ausgeprägt ist, die Tumorzellen sich tapetenartig entlang der Lymphspalten des gesamten Organs ausgebreitet haben, oder wenn die Metastasen eine der großen Bronchien verschließen und einen ganzen Lungenabschnittvon der Belüftung abschneiden, macht sich der Krebsbefall der Lungen in Form von Kurzatmigkeit bemerkbar. Manchmal verursachen Krebszellen, die entlang des Rippfells wachsen, auch einen großen Erguss im Rippfellspalt, der die Entfaltung der Lungen massiv einschränken und Atemnot auslösen kann.
Knochenmetastasen können dagegen durchaus schmerzhaft sein. Oft ist die Wirbelsäule betroffen. Leider sind aber gerade bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte Rückenschmerzen ein sehr häufiges, glücklicherweise aber meist harmloses Problem. Trotzdem sollten vor allem Menschen, die schon einmal an einer Krebserkrankung gelitten haben, hellhörig werden, wenn Rücken oder Extremitäten plötzlich in einer Weise zu schmerzen beginnen, die sie bisher nicht gewohnt waren. Manchmal kann hier auch eine Blutuntersuchung weiterhelfen. Findet sich im Blutserum eine erhöhte Konzentration eines Enzyms namens »alkalische Phosphatase«, kann das ein Hinweis auf Metastasen im Knochen sein. Das Wachstum der Tumorzellen zerstört die normale Knochenmatrix. Dieser Arrosionsprozess führt oft zur Entkalkung und irgendwann zur Instabilität des Knochens. Manchmal reicht dann bereits eine ungeschickte Bewegung oder der Griff zur Einkaufstasche, und der Knochen bricht. Solchen sogenannten pathologischen Frakturen – Knochenbrüchen ohne klar erkennbare Ursache – sollte immer auf den Grund gegangen werden.
Aus dem Beschwerdebild allein lassen sich kaum Rückschlüsse ziehen, ob der Ursprungstumor oder eine Metastase die Probleme verursacht hat. Das gilt insbesondere für Tumoren im Gehirn. Da echte Hirntumoren vergleichsweise selten sind, stecken hinter entsprechenden neurologischen Problemen sogar häufiger Metastasen als primäre Tumoren des zentralen Nervensystems.
Scharlatanerien: Die paraneoplastischen Syndrome
Herr R. war auch sonst ein einsilbiger Mensch. Daher war seine Frau zunächst nicht besonders irritiert, als er über Wochen noch lethargischer und introvertierter wurde. Es war die Sache mit den
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