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Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld

Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld

Titel: Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Lew u. Tolstaja Tolstoi
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heilige Werk wird gestört – wodurch? Man mag gar nicht daran denken! Und dabei redet man noch von der Freiheit und den Rechten der Frauen. Ebenso gut könnten Menschenfresser, die ihre Gefangenen mästen, um sie anschließend aufzufressen, behaupten, sie sorgten sich um deren Rechte und Freiheit.»
    Für mich war das alles neu und verblüffend.«Aber was heißt das? Wenn es so ist», sagte ich,«dann kann man seine Frau ja nur einmal in zwei Jahren lieben, der Mann aber …»
    «Der Mann aber braucht das», fiel er ein,«auch davon haben die werten Priester der Wissenschaft alle Welt überzeugt. Am liebsten würde ich diese Medizinmänner zwingen, selbst das Amt jener Frauen zu versehen, ohne die die Männer ihrer Meinung nach nicht auskommen können – was würden sie dann wohl sagen? Reden Sie einem Menschen ein, dass er Schnaps, Tabak und Opium braucht, und er wird nicht mehr ohne auskommen. Offenbar hat Gott nicht gewusst, worauf es ankommt, und da er den Rat unserer Medizinmänner nicht eingeholt hat, ist die Welt nun schlecht eingerichtet. Bitte sehr, Sie sehen ja, dass die Sache nicht aufgeht. Für den Mann ist es wichtig, ja unabdingbar, seine Begierde zu befriedigen, das steht angeblich fest,
aber da kommen ihm Geburten und zu stillende Säuglinge in die Quere und hindern ihn an der Befriedigung seiner Bedürfnisse. Was tun? Nun, man fragt die Medizinmänner, die wissen Rat. Und wirklich, sie haben eine Lösung gefunden. Wann werden diese Betrüger endlich entlarvt? Es ist höchste Zeit! So weit ist es schon gekommen mit uns, dass Menschen wahnsinnig werden und sich duellieren, alles nur deshalb. Und wie sollte es anders sein? Die Tiere wissen anscheinend, dass ihr Nachwuchs für die Arterhaltung sorgt, und halten sich an das entsprechende Gesetz. Nur der Mensch will davon nichts wissen. Er ist nur darum besorgt, sich möglichst viel Lust zu verschaffen. Ausgerechnet der Mensch, der Herr der Natur! Man beachte, dass Tiere sich nur dann paaren, wenn sie Nachwuchs zeugen können, der verkommene Herr der Natur aber tut das immer, einzig zu seinem Vergnügen. Und nicht nur benimmt er sich wie ein Affe, sondern er erklärt dieses Benehmen auch noch zum Höhepunkt der Schöpfung, zur Liebe. Und dieser sogenannten Liebe, dieser Niederträchtigkeit opfert er – was? Die halbe Menschheit. Die Frauen, die die Menschheit auf dem Weg zu Wahrheit und Heil voranbringen sollten, macht er um seines Vergnügens willen zu Feindinnen
dieses Fortschritts. Sehen Sie sich um – wer ist es, der die Menschheit auf ihrem Weg aufhält? Die Frauen. Und weshalb sind die Frauen so? Einzig und allein deshalb. Jawohl, jawohl», wiederholte er mehrmals, dann kam Bewegung in ihn, er kramte seine Zigaretten hervor und begann – offenbar zur Beruhigung – zu rauchen.

XV
    «Mich hat die Pein der Eifersucht mein ganzes verheiratetes Leben hindurch verfolgt. Allerdings gab es Phasen, in denen ich besonders heftig darunter litt. Eine dieser Phasen war nach
der Geburt des ersten Kindes, als die Ärzte meiner Frau das Stillen verboten hatten. Damals war ich besonders eifersüchtig, erstens deshalb, weil sie jene mütterliche Unruhe empfand, die durch solche grundlosen Abweichungen vom geregelten Gang des Lebens zwangsläufig hervorgerufen wird; zweitens, weil ich sah, mit welcher Leichtigkeit sie ihre moralische Pflicht als Mutter abstreifte, und daraus unbewusst, aber ganz richtig schloss, dass es ihr ebenso leichtfallen würde, die der Ehefrau zu vergessen, umso mehr, da sie völlig gesund war und die folgenden Kinder trotz des Verbots dieser reizenden Ärzte gestillt hat, und sie gediehen prächtig.»
    «Ärzte sind Ihnen wirklich zuwider», sagte ich, denn mir fiel auf, dass seine Stimme, sooft er sie erwähnte, einen besonders hasserfüllten Klang annahm.
    «Mit Zuwidersein hat das nichts zu tun. Sie haben mein Leben zerstört, so wie sie das Leben von Tausenden, Hunderttausenden Menschen zerstört haben und weiter zerstören, und ich kann nicht umhin, Ursache und Folgen in einen Zusammenhang zu bringen. Ich verstehe, dass Ärzte, wie Rechtsanwälte und andere Berufe auch, Geld verdienen wollen, und ich würde ihnen gern die Hälfte meines Vermögens überlassen
– jeder, dem klar ist, was sie tun, würde ihnen nur zu gern die Hälfte seines Vermögens überlassen, damit sie sich bloß nicht in sein Familienleben einmischen, damit sie gar nicht erst in seine Nähe kommen. Ich habe mich nicht eigens erkundigt, aber ich weiß von

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