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Kreuz des Südens

Kreuz des Südens

Titel: Kreuz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Pretty.« Mr. Pretty unterlag dem inneren Zwang, Schüler nicht zu bestrafen, sondern zappeln zu lassen. Er war jung, sah gut aus und hatte ein unersättliches Bedürfnis, sein Publikum nicht gehen zu lassen. Er war berüchtigt dafür, dass er die Kinder, während sie von einem Bein aufs andere traten und zu den Räumen rüberstarrten, wo sie eigentlich hätten sein sollen und der Unterricht und Tests inzwischen ohne sie begannen, so lange aufzuhalten wie möglich.
    »Mach nicht mich oder das Auto verantwortlich, nur weil du zu spät bist«, sagte Mr. Pretty hinter seinem kleinen Pult im gebohnerten leeren Gang.
    »Ich mache Sie nicht verantwortlich, ich sage nur, wie es ist.«
    »Wenn ich du wäre, würde ich auf mein Mundwerk achten, Weed.«
    »Was? Soll ich mit einem Spiegel rumrennen?«, fragte Weed. Vielleicht hätte Mr. Pretty Weed in den Unterricht gehen lassen, aber jetzt war Mr. Pretty sauer und beschloss, die Dinge noch ein bisschen hinauszuzögern.
    »Wollen wir doch mal sehen. Dritte Stunde. Weißt du noch, worüber wir am Freitag gesprochen haben?« Weed erinnerte sich an gar nichts mehr von Freitag, außer dass er sich nicht gerade darauf gefreut hatte, das Wochenende mit seinem Vater zu verbringen.
    »Ah, vielleicht hilft das deinem Gedächtnis auf die Sprünge«, sagte Mr. Pretty knapp. »Was geschah im Jahr 1556?« Weeds Nerven lagen blank. Er konnte Mrs. Fans Stimme durch die geschlossene Tür hören. Sie teilte gerade die Testfragen aus und gab Anweisungen.
    »Nun komm schon. Ich weiß, dass du es weißt«, triezte Mr. Pretty Weed weiter. »Was war da los?«
    »Ein Krieg.« Weed spuckte aus, was ihm als Erstes in den Sinn kam.
    »Eine ziemlich vage Antwort, da es doch so viele Kriege gab. Aber sie ist falsch. 1556 wurde Akbar Kaiser von Indien.«
    »Kann ich jetzt in Mrs. Fans Unterricht gehen?«
    »Und dann?«, fragte Mr. Pretty. »Was passierte dann?«
    »Was?«
    »Ich hab zuerst gefragt.«
    »Was denn?« Weed wurde wütend. »Was dann passierte«, sagte Mr. Pretty. »Kommt darauf an, was Sie unter dann verstehen«, erwiderte Weed schlagfertig.
    »Dann wie dann in der Chronologie der Ereignisse, die ich im Unterricht verteilt habe«, sagte Mr. Pretty spitz. »Bestimmt hast du wieder nicht einen Blick darauf geworfen.«
    »Hab ich wohl. Und auf dem Blatt steht, wir müssen nichts auswendig lernen, was nicht fett gedruckt ist. Und die Sache mit Indien und was danach passierte ist nicht fett.«
    »Ach wirklich?«, fragte Mr. Pretty hochmütig. »Und wie kommt es, dass du dich erinnerst, was fett und was nicht fett war, wenn du dich an sonst nichts erinnerst?«
    »Ich erinnere mich, wenn was fett ist.« Weed hob seine Stimme, als würde er plötzlich fett sprechen.
    »Das tust du nicht!«
    »Tu ich wohl!« Wütend zog Mr. Pretty einen Kugelschreiber aus seiner Hemdtasche und kritzelte verschiedene Wörter auf eines der Aufsichtsformulare.
    »Nun lass mal sehen, du Klugscheißer«, sagte Mr. Pretty in einer Stimme, die verriet, dass er seine Beherrschung verlor. »Ich habe hier zehn Wörter aufgeschrieben, einige fett, einige nicht. Du hast eine Minute Zeit, dir das anzusehen.« Er gab Weed die Liste: protegieren, Piktogramm, Pogrom, Versailles, Moliere, Faberge, Fabian, Waterloo, Edikt, lasziv. Nicht eines der Wörter stellte für Weed einen vertrauten Begriff dar. Mr. Pretty riss die Liste wieder an sich. »Welche Wörter waren fett?«, fragte Mr. Pretty.
    »Ich kann sie nicht aussprechen.« »Versailles!«, stieß Mr. Pretty hervor.
    Weed betrachtete die Liste in seinem Kopf und lokalisierte das einzige Wort, das mit einem V begann. »Das vierte. Nicht fett«, sagte er. »Pogrom!«
    »Das dritte. Nicht fett.«
    »Fabian!«, schoss es aus Mr. Pretty heraus.
    »Das vierte Wort von hinten. Auch nicht fett.«
    »Piktogramm!«, schrie Mr. Pretty. Sein hübsches Gesicht war vor Wut verzerrt.
    »Das ist fett«, sagte Weed, »genau so wie das fünfte und das zehnte.«
    »Ach wirklich?« Mr. Pretty war völlig außer sich. »Und wie lauten die Wörter fünf und zehn, wenn du schon denkst, dass du so schlau bist?«
    Weed sah die Wörter Moliere und lasziv in seinem Kopf und sprach sie auf seine Weise aus: »Mauler und Lassiff.« »Was bedeuten sie?«
    Mr. Pretty war sehr laut, und Mrs. Fan riss die Tür auf, aus Sorge, es könnte etwas nicht in Ordnung sein. »Psssssst!«, sagte sie. »Na, was glaubst du, Weed?« Mr. Pretty senkte verächtlich seine Stimme. Weed überlegte angestrengt.
    »Mauler ist, wenn

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