Kreuzberg
Redefluss. »Recip wer?«
»Ka-ha-li.
Soll ich buchstabieren?«
»Danke,
geht schon.« Hünerbein schrieb es in sein Notizbuch.
»Sie waren
erbitterte Konkurrenten«, berichtete Sophia Hertz weiter. »Recip hat ihm mit
Dumpingpreisen das Geschäft ruinieren wollen. Aber Hüseyin lässt sich nicht so
leicht ruinieren. Er ist ein richtiger Mann. Voller Leidenschaft und Eleganz!
Und Geld war bei ihm nie ein Problem!«
Sie begann
von den herrlichen Reisen zu erzählen, die sie mit Hüseyin nach Paris und an
die Côte d’Azur unternommen hatte.
»Es waren
immer nur verlängerte Wochenenden, aber sie waren traumhaft schön. Er hat es
uns nie an etwas fehlen lassen. Aber leider …« Sie zog ein blütenweißes
Taschentuch hervor und tupfte sich damit vorsichtig die Wangen ab. »Leider
liebt er sein Geld mehr als alles andere. Da kann man als Frau nicht mithalten.
Und leider hat nicht mal die Steuerfahndung herausfinden können, wo er sein
Geld versteckt hält.«
Hünerbein
war zufrieden. Das waren mehr Informationen, als er sich erhofft hatte. Mal
sehen, was die de Groot noch zu erzählen hat, dachte er.
Er wollte
sich von Sophia Hertz verabschieden, doch die hielt ihn zurück.
»Eins
noch«, sagte sie entschieden. »Ein Mörder ist Hüseyin nicht!«
»Auch nicht
für Geld?«
»Nicht mal
für Geld«, bekräftigte sie und musterte Hünerbein mit kritischem Blick.
»Deshalb sind Sie doch eigentlich hier: wegen des Todes unserer Kollegin Frau
Steffens, oder?«
»Schon«,
gab Hünerbein zu. »Haben Sie irgendeinen Verdacht?«
»Nein«,
erwiderte Sophia Hertz, »dazu kannte ich Frau Steffens zu wenig. Wir hatten nur
beruflich miteinander zu tun. Aber eines weiß ich gewiss: Hüseyin mag ein
untreuer Schuft sein, ein Filou, ein Windhund, ein Steuerbetrüger – aber
Mord? Niemals.«
»Danke«,
sagte Hünerbein und ging.
Er
stärkte sich zunächst im »Curry 36«. Eine Bratwurst, ein Paar Wiener und
je eine doppelte Portion Pommes rot-weiß. Dazu ein halber Liter Cola. Mond im
Stier, das stärkte nun mal seinen Appetit. Dennoch verzichtete Hünerbein auf
eine dritte Portion.
Man muss
sich zügeln können, dachte er. Disziplin ist alles.
Anschließend
schlenderte er den Mehringdamm hinunter. An der Kreuzung Yorckstraße fiel ihm
der »Burger King« ins Auge, und sofort drängte sich ihm das Bild eines leckeren,
sehr saftigen Double Cheeseburgers auf. Unwillkürlich änderten seine Füße den
Kurs, marschierten unaufhaltsam auf die Eingangstür zu, wo zwei hübsche Mädels
mit goldfarbenen Papierkronen auf dem Kopf für das King-Special warben: drei
Burger zum halben Preis. Sollte sich Hünerbein diese Gelegenheit entgehen
lassen?
Disziplin
ist gut, überlegte er, Sparsamkeit aber auch – und bevor sich die
kosmische Konjunktion wieder in Richtung Diät verschob …
Man lebt
schließlich nur einmal. Hünerbein schlug zu und genehmigte sich noch eine große
Coke zum Nachspülen, bevor er, nun wirklich satt, seinen Weg in Richtung
Bergmannstraße einschlug.
Hier
hatte »Het Paradijs Reizen« seinen Sitz, das Reisebüro von Sylvie de Groot.
Beim Eintreten stieß Hünerbein mit einem drahtigen Glatzkopf zusammen, der
gerade hinaus wollte. Beide Männer sahen sich kurz an und entschuldigten sich,
bevor sie weitergingen.
»Der hatte
es aber eilig«, bemerkte Hünerbein und schloss hinter sich die Tür.
»Der hat
gerade eine Brasilienreise gebucht.« Sylvie de Groot war tatsächlich sehr groß
und eine überaus beeindruckende Frau. Mit ihren langen blonden Haaren und ihren
noch längeren Beinen hätte sie das lebende Vorbild einer Barbie-Puppe sein
können. Sie lächelte Hünerbein an und schlug ihm mit ihrem niedlichen
holländischen Akzent sogleich eine beliebte Trennkost-Reise nach Sardinien vor.
»Diese
Reise wird immer gern gebucht, und Sie nehmen garantiert mindestens zehn Kilo
ab.«
»Vielleicht
will ich ja auch lieber nach Brasilien«, antwortete Hünerbein.
»Ohne
Rückfahrkarte?« Sylvie de Groot lächelte immer noch und bot ihm einen Stuhl vor
ihrem »Terminal«, wie sie es nannte, an.
Dieser
Blumenhändler ist echt zu beneiden, dachte Hünerbein. Erst die durchaus
attraktive Schnalle im Finanzamt und jetzt diese scharfe Sexbombe. Was Ayse
wohl dazu sagen würde?
»Frau de
Groot«, sagte er, nachdem er sich vorgestellt und den Grund seines Hierseins
erklärt hatte, »es heißt, Sie haben eine Affäre mit Hüseyin Misirlioglu, und
mich interessiert –«
»Gehabt«, unterbrach
sie ihn, »wir
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