Kreuzberg
hatten eine Affäre. Bis seine Frau dahinterkam.«
»Ach, Ayse
wusste davon?«
»Ja.«
Sylvie de Groot holte eine lange weiße Packung Eve-Zigaretten hervor. »Was
dagegen, wenn ich rauche?«
»Aber gar
nicht«, beeilte sich Hünerbein zu erklären, wusste er doch aus Erfahrung, dass
die Leute, wenn sie zu rauchen anfangen, meist auch was erzählen. Er ließ sein
Feuerzeug aufschnappen und hielt es ihr hin. »Bitte!«
Sylvie de
Groot nahm ein paar Züge und lehnte sich zurück.
»Wir
wollten verreisen, Hüseyin und ich. Drei Wochen Mauritius. Da Hüseyin die Reise
zahlte, wollte er auch die Unterlagen dafür bei sich zu Hause aufbewahren. Ich
war dagegen. Zu Recht.«
Sie sah dem
Zigarettenrauch nach, der sich in unruhigen Kringeln zur Zimmerdecke hochschlängelte,
und nahm noch einen Zug.
»Denn
natürlich fand Ayse die Unterlagen«, erzählte sie weiter. »Eines Tages tauchte
sie hier damit auf und verlangte, die Reise umzutauschen. In vier Flugtickets
nach London.«
»London.«
Hünerbein schrieb es in sein Notizbuch.
»Ohne
Rückflug«, bekräftigte Sylvie de Groot und nahm, da das Telefon zu läuten
begonnen hatte, mit den Worten »Moment bitte« ab.
»Het
Paradijs Reizen, was kann ich für Sie tun?«
Hünerbein
sah ihr verzückt zu. Eine echt heiße Braut! Allein wie sie beim Telefonieren
die langen Beine übereinanderschlug.
Sie sprach
jetzt Englisch, und das Gespräch drehte sich, soweit Hünerbein das mitbekam, um
eine Reisegruppe in Moskau, die wohl in Problemen steckte. In ernsthaften
Problemen, mehrmals fielen die Worte »dangerous
situation« ,
und auch Sylvie de Groot machte einen besorgten Eindruck. Dennoch versuchte
sie, den offenbar sehr aufgebrachten Anrufer zu beruhigen, und versprach, sich
um schnelle Rückflüge zu kümmern.
»I’ll call you back, okay? I’ll call you back in
a few minutes.«
Dann legte
sie auf, wählte eine andere Nummer und redete nun Russisch. Erst kühl und
geschäftsmäßig, dann nervöser und aufgeregter. Am Ende schrie sie den
Angerufenen regelrecht an.
»Stressiger
Job, was«, erkundigte sich Hünerbein mitfühlend, als sie kurz auflegte, um
erneut eine Nummer zu wählen. »Wie viele Sprachen muss man denn so beherrschen,
wenn man ein Reisebüro leitet?«
Sie achtete
nicht auf ihn, gab aber eine weitere Kostprobe ihrer Weltgewandtheit, denn nun
telefonierte sie in einer kehligen Fremdsprache, die Hünerbein als Arabisch
identifizierte. Er sah auf die Uhr, das Gespräch zog sich hin und schien sich
im Kreis zu drehen. Nach etwa zehn Minuten legte sie den Hörer auf und lehnte
sich erschöpft zurück.
»Ärger?«,
fragte Hünerbein.
»Ziemlich«,
nickte sie, kam aber nicht mehr dazu, die Probleme genauer zu erläutern, denn
wieder klingelte das Telefon.
»Tut mir
leid«, beschied sie Hünerbein mit einem Ausdruck des Bedauerns, »aber Sie sehen
ja, was hier los ist!«
Sie nahm
den Hörer ab und sprach in ihrer Muttersprache von einer »gevaarlijke situatie in Moskou«, und dass der »Luchthaven
geblokkeerd« sei.
Tja. Da war
wohl nichts zu machen.
Hünerbein
erhob sich. »Ich komme morgen noch mal wieder«, sagte er und wandte sich zur
Tür. »Schönen Tag noch.«
25 NATÜRLICH IST Lothar Reinicke nicht zu Hause. Es
gehört zum normalen Alltag ermittelnder Kriminalbeamter, dass man potenzielle
Zeugen und Hinweisgeber zunächst einmal nicht antrifft und vor verschlossenen
Türen steht. Ich hinterlasse ein amtliches Formular im Briefkasten mit der
Aufforderung, sich doch bitte in den nächsten Tagen in der Dienststelle zu
melden. Natürlich wird Herr Reinicke darauf nicht reagieren. Niemand reagiert
auf solche Formulare. Zumindest nicht in Berlin. Die Administrative hat es
schon immer schwer gehabt in dieser Stadt. Umso merkwürdiger ist es, dass sich
die Regierenden trotzdem hier immer wieder gern niederlassen, in diesem Tiegel
der Aufmüpfigen und Renitenten, der Staatsverweigerer und
Bundeswehrflüchtlinge. Erst vor knapp zwei Monaten haben sich die Abgeordneten
des Bundestages nach kontroverser, aber auch sehr leidenschaftlich geführter
Debatte erneut dafür entschieden, den Regierungssitz nach Berlin zu verlegen.
Von mir aus
hätten die auch ruhig in Bonn bleiben können.
Zu Fuß
schlendere ich vom Chamissoplatz aus die Schenkendorfstraße hinunter. Ich will
ins Reisebüro der Sylvie de Groot in der Bergmannstraße, um sie zu ihrer Affäre
mit Hüseyin Misirlioglu zu befragen. Angeblich, so hatte es mir zumindest der
Tavla-Spieler in der
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