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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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geflochtenen
Braids beeindruckten – über Charakterstärke sagten sie nichts aus. Was ihn
an Henriette Cordes interessierte, waren ihre Mimik und ihr offener,
warmherziger Blick. Darin sah er den Menschen, nicht in der Kleidung.
    »Fräulein
Cordes«, begann er und stockte irritiert, weil sie kurz kicherte. Aber dann sah
sie ihn wieder so herzlich an, dass er weitersprach. »Ich würde gern etwas über
Fatma Misirlioglu erfahren.«
    »Hat sie
was angestellt?«
    »Sie
ist …«, bewusst vermied er das Wort »entführt«, »… verschwunden. Ihre
Eltern machen sich Sorgen.«
    »Verschwunden?«
Henriette Cordes zog sich eine Coke aus dem Kühlschrank. »Seit wann?«
    »Mittwoch
vergangener Woche gab es den letzten Kontakt zu ihr. Das sagen jedenfalls ihre
Eltern.«
    »Mittwoch
war Fatma hier. Das weiß ich ganz sicher. Mittwochs ist Hexentag.«
    »Hexentag?«
    »Ein paar
Mädchen von uns haben eine Performance Group gegründet. Aktionskunst, Trommeln,
Tanz, Kampfsportakrobatik und so. Sie nennen sich ›Die Hexen von Kreuzberg‹.
Mittwochs proben sie hier, planen neue Auftritte. – Sorry !«
Sie zeigte auf den Coke-Automaten. »Wollen Sie auch eine?«
    Beylich
verneinte dankend. »Und diese anderen Hexen«, erkundigte er sich, »die
Freundinnen? Fragen die sich nicht, wo Fatma stecken könnte?«
    »Warten
Sie, das haben wir gleich.« Henriette Cordes stellte ihre Coke-Dose auf den
Tisch und verließ den Raum.
    Beylich
nahm sich einen der Flyer. Verschiedene Kurse wurden angeboten: Nachhilfe für
Schülerinnen, Bauchtanz für Anfänger, die Kunst des positiven Denkens und
Rappen mit Doctor Hip & Mrs. Hop. Dann gab es noch einen
Selbstverteidigungskurs für Mädchen, immer freitags achtzehn Uhr, die Leiterin
war Inga Lenz.
    Interessant,
dachte Beylich, darauf sollte ich sie mal ansprechen.
    Die Tür
öffnete sich wieder, und Henriette Cordes kam mit zwei Mädchen zurück. Eines
hatte rote Haare und trug verschiedenfarbige Strümpfe, sodass sich Beylich an
Pippi Langstrumpf erinnert fühlte. Bei der anderen war alles schwarz. Die
Haare, die Kleidung, der Lippenstift und der Nagellack. Feindselig sah sie
Beylich an.
    »Sind Sie
’n Bulle?«
    »Janis, das
ist Oberkommissar Beylich von der Kriminalpolizei.« Henriette Cordes lächelte
ihn entschuldigend an und fuhr, an die Mädchen gewandt, fort: »Er sagt, Fatma
sei seit Mittwoch verschwunden. Wisst ihr etwas darüber?«
    »Scheiße«,
hauchte Pippi Langstrumpf, die Henriette Cordes als Peggy vorgestellt hatte,
entsetzt, und der Blick der Schwarzen wurde noch düsterer. »Wieso? Was sollen
wir denn wissen?«
    »Habt ihr
sie noch nicht vermisst?«
    »Vermisst?
Ja, vielleicht. Keine Ahnung …«
    »Ihr hattet
also«, Beylich beugte sich etwas vor, »seit Mittwoch keine Termine mehr
zusammen?«
    »Termine?«
    »Ich meine
so als Hexen von Kreuzberg.«
    »Ach so,
doch, gestern.« Peggy verstand. »Da sind wir Streife gelaufen.«
    »Streife?«
    »Da
schleicht seit Monaten so ein Perverser durch den Park«, erklärte Henriette
Cordes. »Die Mädchen haben die Initiative ergriffen und patrouillieren jetzt
regelmäßig durch den Park, damit nichts mehr passieren kann.«
    »Aber nur
die, die auch Kampfsport und Selbstverteidigung machen«, erklärte Peggy stolz
und straffte sich. »Echt mal, der Typ soll nur kommen.«
    »Der kriegt
so was von in die Fresse, Alter«, bekräftigte Janis und ließ eine Kaugummiblase
auf ihren schwarzen Lippen zerplatzen.
    »Ist das
mit Inga Lenz abgesprochen?«
    »Wieso mit
Inga?«
    »Das ist
doch eure Selbstverteidigungslehrerin.«
    »Ja,
schon.« Die Mädels nickten einträchtig.
    »Für die
Inga ist das okay«, mischte sich Henriette Cordes wieder ein, »wir müssen ja
irgendwas machen, sonst kann man sich als Frau da im Park nicht mehr frei
bewegen. Und gestern war Demo und hinterher Weiberfest, ich meine …«
    »Weiberfest?«
    »Ja, wir
wollten Zeichen setzen. Das müssen Sie sich mal vorstellen: Seit über einem
halben Jahr werden im Park Mädchen überfallen. Und die Polizei tut nichts!«
Anklagend sah sie Beylich an. »Nicht dass Sie persönlich etwas dafür können,
aber das geht echt nicht.«
    »Wenn uns
die Bullen nicht schützen können«, sagte die Schwarze mit finsterem Blick,
»müssen wir es halt selber tun.«
    »Ja, das
macht Sinn«, gab sich Beylich verständnisvoll und rekapitulierte: »Da sind Sie
also gestern Streife gelaufen, und Fatma war nicht dabei.«
    »Doch«,
sagte Peggy.
    »Nein«,
widersprach die

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