Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Geld gehabt.«
»Weiß ich. Ich spendiere dir Bad und Barbier, dann sehen wir weiter.«
In dem öffentlichen Bad beäugte man den Bettler mit Misstrauen, aber Cornelius wischte alle Einwände zur Seite. Als René im heißen Wasser des Bottichs untergetaucht war, machte er sich auf die Suche nach anständiger Kleidung. Die Narbe der Brandmarkung auf der Schulter und die Striemen auf dem Rücken hatte er bemerkt, aber kein Wort dazu fallengelassen. Das würde später kommen. Und richtig, im Laufe des Nachmittags brachte Cornelius weitere Einzelheiten in Erfahrung, die René betrafen. Er war verurteilt worden, weil er staatsfeindliche Schriften in den Jahren des Terrors in Umlauf gebracht hatte und schätzte sich noch immer glücklich, der Guillotine entgangen zu sein. Als Mittäter erhielt er zehn Jahre Kettenstrafe, der Autor, für den er gearbeitet hatte, war als Verräter hingerichtet worden.
»Ich habe letzte Woche mit einem Druckereibesitzer gesprochen, der sich über die missliche Lage beklagte, ein Buch nicht termingerecht ausliefern zu können, weil sein Kupferstecher sich den Arm gebrochen hat. Er würde dich vermutlich nehmen.«
»Ich werde es versuchen.«
»Gut. Dann gehen wir.«
In der einbrechenden Dämmerung begab sich Cornelius wieder in den Hof und beobachtete die Katzen. Nachdem er dreimal Futter für sie mitgebracht hatte, setzten sie sich erwartungsvoll neben den Brunnen und sahen ihn starr an. Doch weder umstrichen sie ihn, noch gaben sie fordernde Laute von sich. Sie warteten einfach.
»Bande!«, brummte Cornelius amüsiert. Dann stellte er ihnen den Teller mit den Fischabfällen hin. Der Fischhändler hatte ihn bereits als Spinner eingestuft, aber er hob ihm immer einige Reste auf.
Gemächlich, um ja keine Gier anzudeuten, umrundeten die drei das kulinarische Angebot, dann hockten sie sich sittsam um den Teller, die Schwänze vornehm geschwungen, und verleibten sich den Fisch ein.
Ihr menschlicher Beobachter setzte sich zufrieden auf die Bank, stopfte seine Pfeife und sah ihnen zu. Er war mit seinem Tagewerk zufrieden. René hatte die Stelle probeweise bekommen, und für die nächsten Nächte hatte er ihn in einer billigen Pension untergebracht. Ein Zimmer, das er sich leisten konnte, würde sich ebenfalls finden.
Kleine Wolken zogen über das unregelmäßige Rechteck des Himmels, das von seinem Platz aus zu sehen war. Es würde Regen geben, den die Bauern sicher begrüßten, denn der April war ungewöhnlich trocken geblieben. Die Concierge kam mit klappernden Blecheimern über den Hof getrottet, bemerkte ihn nicht und begann, den quietschenden Brunnenschwengel zu bedienen. Die Katzen waren bei ihrem Eintreffen lautlos verschwunden, und ungehalten gab sie dem leeren Teller einen Fußtritt. Scheppernd rutschte er über das Pflaster. Der englische Künstler kam nach ihr, warf eine Papiertüte mit Abfällen in die Tonnen, die deren übliches Aroma durch einen strengen Stich Terpentin bereicherte. Er füllte ebenfalls seinen Eimer mit Wasser. Ein unmelodisches Pfeifen begleitete diese Tätigkeit, dann verschwand er, und Ruhe kehrte auf den Hof ein.
Mit einem Plumps ließ sich die schildpattfarbene Katze auf Cornelius’ Schoß fallen und schnurrte. Gehorsam kraulte er ihren Nacken. Es war ein schönes Gefühl, so ein seidiges Pelzchen unter den Fingern zu haben. Er lehnte den Kopf an die unebene Hauswand und sehnte sich nach einer Frau. Einem sanften, weichen Körper, willig und nachgiebig.
»Monsieur träumt?« Es lag ein leises Lachen in Monas Stimme, als sie sich neben ihn setzte.
»Monsieur träumt«, bestätigte er.
»Dann will ich Monsieur nicht stören.«
»Bleib hier, Mona. Hast du heute keine Milch dabei?«
»Nein, so verwöhnt werden sie auch wieder nicht. Belami, komm!«
Der Kater ließ sich locken und setzte sich neben sie. Die Katze auf Cornelius’ Schoß beäugte ihn und sprang nach unten. Die kleine schwarze kam auf sie zu, schnupperte kurz an ihr und schien ihr eine Rüge wegen verbotenen Fraternisierens zu erteilen. Aber dann putzte sie ihr doch noch einmal schnell mit der Zunge das Fell glatt, das der Mensch so unordentlich durchgekrault hatte.
»Mirabelle habe ich vor zwei Jahren geschenkt bekommen. Die Concierge hat gemault, aber wir haben sie überzeugen können, dass die Mäusekolonie im Keller überhandnahm, also durfte sie bleiben. Sie war noch sehr klein, und ich musste ihr das Mausen selbst beibringen.«
»Du kannst Mausen? Eine außergewöhnliche
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