Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
schaukelte sich durch das nächste Schlagloch, und einmal mehr wünschte Cornelius, er hätte sich zu Pferd auf den Weg nach Leipzig gemacht. Aber das konnte er Simon Rieker, dem alten Buchhändler, der ihn begleitete, nicht zumuten.
Dem Fünfundsechzigjährigen hingegen schien die Schaukelei und das Holpern über die schlechten Straßen nicht viel auszumachen, er schwatzte fröhlich vor sich hin, je näher sie ihrem Ziel kamen. Mit Thomas Lindlar, dem Drucker, und Simon Rieker, dem Buchhändler, und ihm selbst als Herausgeber bildeten sie inzwischen ein in seiner Arbeitsteilung ganz trefflich florierendes Unternehmen. Immer mehr trennten sich die drei Zweige, obwohl es auch noch etliche Unternehmen gab, in denen Drucker, Verleger und Händler in einer Person handelten.
Nach einer anstrengenden Reise erreichten sie endlich die Stadt und rollten vor das Paulinum, in dem sie Unterkunft bestellt hatten. Es war ein lang gestrecktes, viergeschossiges Haus, das eigentlich zur Universität gehörte und der Sitz der theologischen Fakultät war. Sie erhielten je ein Zimmer in der Mansarde, und von dem kleinen Fenster in der Gaube konnte Cornelius in den Innenhof des Gebäudekomplexes schauen. Vage erinnerte ihn der Anblick an die Pariser Hinterhöfe. Auch hier waren es alte, graue Mauern, manche Giebel sackten durch, die Dachziegel waren von Taubenkot bekleckert, und die Dachtraufen hatten lange Schmutzspuren auf den Wänden hinterlassen. Unten mündeten einige Fallrohre in Wassertonnen, die auf Grund der letzten Regenfälle übergelaufen waren. Eine Handvoll mickriger Bäume standen im Hof, die nicht genug Sonnenlicht erhielten, ihre Äste wiesen nur wenig hellgrünes Laub auf. Aber einige Spatzen versammelten sich in ihren Zweigen. Sie tschilpten lauthals ihre Frühlingslieder und flatterten empört auf, als eine struppige Katze ihren Weg zwischen den Stämmen suchte.
Cornelius verstaute seine Habseligkeiten im Schrank und machte sich auf, um zu überprüfen, ob seine Lieferung ordnungsgemäß eingetroffen und gelagert worden war. Als er die Treppe nach unten eilte, gingen vor ihm zwei Männer, von denen ihm der jüngere bekannt vorkam. Der aber war so in sein Gespräch vertieft, dass er ihn nicht beachtete.
»Heute waren der Kunsthändler Friedhof, der Ratsherr Stieglitz und das Großmaul Böttiger bei mir zur Dom-Schau. Nur Cotta kam nicht«, schnappte er auf, und der andere erklärte: »Machen Sie sich nichts draus, Boisserée, der ist griesgrämig wegen der schlechten Zeiten.«
Sie bogen vor dem Tor nach links ab. Cornelius erstaunte es nicht, den Kölner Kunstsammler auf der Messe anzutreffen. Er wünschte ihm viel Erfolg mit seinem Domwerk, an dem auch David einen winzigen Anteil hatte. Cotta war ein bekannter Verleger, und wenn Boisserée ihn bewegen konnte, die Stahlstiche zu veröffentlichen, würde er ein breites Publikum erreichen. So gerne er selbst daran mitgearbeitet hätte, wusste er doch, dass ein derart aufwändiges Werk seine Kapazitäten weit überschritt. Er wandte also seine Schritte zum Lagerhaus, wo er seine Ware verpackt und in gutem Zustand vorfand.
Die nächsten Tage entwickelten sich überaus geschäftig, und unter Riekers kompetenter Führung konnte Cornelius nicht nur den Großteil seiner mitgebrachten Bücher verkaufen, sondern sie erstanden auch eine erkleckliche Anzahl hochinteressanter Neuerscheinungen. Am dritten Nachmittag aber nahm der alte Buchhändler eine Einladung Leipziger Kollegen an und fordert ihn auf, ihn zu begleiten. Man traf sich in einem Kaffeehaus, wo sich Gruppen und Grüppchen von Verlegern, Buchhändlern, Buchbindern und Druckereibesitzern bildeten. Die Luft füllte sich bald mit Gesprächen, Kaffeeduft und Tabakschwaden. Cornelius selbst beteiligte sich nicht an den Unterhaltungen, sondern rauchte seine Pfeife und hörte zu. Er nahm auf diese Weise allerlei Wissenswertes auf. Etwa über die neue Druckerpresse, die in London konstruiert worden war und einen kontinuierlichen Druck über Walzen ermöglichte, über Stahlfedern zum Schreiben, die den Gänsekiel ersetzten, und über Raubdrucke, die auf der heruntergekommenen Frankfurter Buchmesse verhökert wurden. Besonders aber spitzte er seine Ohren, als jemand erklärte: »Er hat einfach mit fetthaltigem Stift auf den Stein gezeichnet und ihn dann mit Gummiarabikum überzogen. Wenn man es einfärbt, bleibt die Schwärze an den fetten Stellen hängen, die anderen stoßen die Feuchtigkeit ab. Simpel, nicht
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