Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
natürlich. Er befindet sich heute Vormittag im Malersaal des alten Hoftheaters, wo er mit dem Theatermaler Seekatz eine Beratung abhält.«
Meister Lautenschläger und Meister Seekatz hörten sich die unwahrscheinliche Geschichte sprachlos an, und Seekatz meinte dann zu David, der als Wortführer auftrat: »Sie wissen offenbar, worum es sich handelt, Herr von Hoven. Ich danke Ihnen, dass sie mich dennoch informiert haben. Nehmen Sie den Plan, Sie scheinen ein Recht daran zu haben.«
»Ein Recht daran hätte das Domkapitel von Köln, aber ich würde das Pergament gerne dem Hofbaumeister Moller übergeben, denn er beschäftigt sich, wie ich gehört habe, mit den Zeichnungen der Kathedrale.«
»Georg Moller? Da haben Sie aber Glück. Der Hofbaumeister wollte um die Mittagszeit hier vorbeischauen. Wenn Sie sich so lange gedulden wollen?«
Da es tatsächlich das beste Entree war, das ein ehrgeiziger junger Architekt haben konnte, überließen Susanne, Antonia und Cornelius es David alleine, den Plan dem Hofbaumeister vorzulegen und ihm seine Geschichte zu erzählen.
Und Moller war es dann schließlich, der Sulpiz Boisserée den Fassadenriss übergab und in seinem Brief eine kurze Zusammenfassung des unglaublichen Fundes gab.
Einen Monat später, am Jahrestag des Todes von Hermann Waldegg, dem Domherrn, schritten Antonia und Cornelius über das feuchte Gras des kleinen Friedhofs an der Nordseite des Doms. Es hatte in der Nacht heftig geregnet, und der Nebel hing dicht über dem Rheintal. Auf dem Friedhof herrschte eine fast gespenstische Stimmung, die knorrigen Eiben zwischen den Gräbern und das alte Mauerwerk der kleinen Kapelle von Maria im Pesch gemahnten an die vergangenen Jahrhunderte. Die Grabsteine hatten Moos angesetzt, und ihre Inschriften verschwanden unter langsam sich ausbreitenden Flechten. Der Stein aber, zu dessen Füßen Antonia den Strauß gelber Rosen legte, war rein gehalten und der Name des Domherrn deutlich zu lesen.
Still standen sie nebeneinander, die Finger ineinander verschränkt, die Köpfe geneigt.
Es war Antonia, die als Erste sprach.
»Ich habe mein Versprechen erfüllt, Vater. Der Plan, den ich verloren habe, ist gefunden und an jene übergeben worden, die nun das große Werk weiterführen werden.« Sie schwieg einen Moment, so als ob sie auf eine Antwort lauschte, doch es wisperten nur einige Ästchen, die eine kleine Brise an den alten Mauern rieb. Dann fuhr sie fort: »Ihr Sohn David hat ihn an die richtige Stelle gereicht, und er wird ebenfalls sein Versprechen halten und nach besten Kräften am Erhalt des Domes und seinem Weiterbau arbeiten.« Dann sah sie hoch zu dem nebelverhangenen Himmel und tat kund: »Ich werde Ihren Sohn Cornelius heiraten, Vater, und ich hoffe, Sie heißen es gut. Er weiß es noch nicht, aber er besitzt viel von Ihrer Güte und Weisheit, und ich werde mit aufrichtiger Freude versprechen, ihn zu lieben und an seiner Seite zu stehen, bis dass der Tod uns scheide.«
Die Finger, die in die ihren verflochten waren, drückten sachte zu. Dann erhob Cornelius seine Stimme.
»Ich werde es ihr mit gleicher Aufrichtigkeit und Freude versprechen, Vater, und ich hoffe nicht nur, dass du es gutheißt, sondern ich bin mir dessen sogar völlig sicher. Du sprachst einst davon, doch da hielt ich es noch nicht für möglich. Aber weil das Undenkbare wirklich wurde, bin ich mir nun sicher, dass auch dein anderer Herzenswunsch in Erfüllung gehen wird. Es finden sich mehr und mehr Menschen, die den Dom fertiggebaut sehen wollen. Aus den seltsamsten Motiven heraus. Boisserée sieht darin das Symbol des christlichen Glaubens in seiner märchenhaften, verklärten Form, andere wollen ihn zum Mahnmal der vergangenen Kriege machen und einige Nationalisten ihn gar zur Wacht am Rhein. Doch wir, Vater, deine Kinder, sehen in ihm die Manifestation dessen, was das Einhalten der ordnenden Gesetze eines weisen Schöpfers und Baumeisters der Welten ermöglicht: ein den Himmel berührendes Gebilde von strenger, ewiger Schönheit und umfassender Harmonie.«
Er schwieg und schien gleichfalls zu lauschen, doch es wisperten nur einige Ästchen, die eine kleine Brise an den alten Mauern rieb.
»Wir werden tun, was in unserer Macht steht, Vater, um seine Vollendung voranzutreiben. Mag sein, dass wir dazu Allianzen mit anderen Gesinnungen schließen müssen, doch Toleranz und Weitherzigkeit sollten den Bau bestimmen. Wir werden auf Schwierigkeiten stoßen und sicher oft genug kämpfen
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