Kreuzdame - Köln Krimi
wer noch dazu gehörte, war mir zum Heulen zumute. Es kam mir vor, als verrieten wir uns selbst, Klaus und die Freundschaft zu ihm. Wir trafen uns und aßen, spielten und lachten, und Klaus lag hinter irgendeiner Tür im Kühlraum der Gerichtsmedizin. War nach dem Tod eines Menschen auch die Freundschaft gestorben? Ex und hopp?
»Wir leben ja noch«, sagte Martin, als wir ins Bett gingen, und hatte natürlich recht damit.
Wenig später stand das Ergebnis der Obduktion fest: Man hatte Reste eines Betablockers in Klaus’ Blut gefunden und hohe Anteile von Benserazid, das, wie Martin mir beim Frühstück erklärte, in Decarboxylasehemmern vorkommt und bei neurologischen Erkrankungen verschrieben wird. Aber, so setzte er hinzu, als Arzt hätte Klaus mit Sicherheit nie mehr Tabletten genommen als nötig, vor allem nicht, wenn er Auto fuhr. Deswegen konnten die Tabletten nicht die Ursache für den Unfall gewesen sein. Vielleicht hatte ja wirklich jemand Klaus aus dem Weg räumen wollen.
Was machte einen Menschen zum Mörder? Im Buch eines pensionierten Mordkommissars hatte ich gelesen, dass es eine Handvoll Motive gibt, die Menschen dazu bringen zu töten, wie beispielsweise Habgier, Rache, Eifersucht, Verdeckung einer anderen Straftat, sexuelle Lustbefriedigung und, und das hatte mich am meisten entsetzt, Mordlust. War es die Medienvielfalt, die uns auf allen Kanälen Mord- und Totschlag präsentierte, waren es Videospiele, die das virtuelle Töten zur normalen Betätigung machten und deshalb leicht die Grenzen zwischen Spiel und Realität verwischten? Oder gab es in unserer modernen Welt gar nicht mehr Morde als im Mittelalter, wo keiner seines Lebens sicher sein konnte?
»Vielleicht ist sein Herz vor Schreck stehen geblieben«, sagte ich leise und guckte auf meinen Teller.
»Wenn du den Kopf so nach unten presst, hast du ein Doppelkinn«, sagte Martin.
Ich stand auf, deckte den Tisch ab und räumte in der Küche die Spülmaschine ein. Danach erst ging ich langsam ins Wohnzimmer zurück, wo Martin in der Sportzeitung blätterte. Als ich ihn fragte, ob Klaus jetzt beerdigt werden könnte, antwortete er: »Warum ist dir das wichtig?«
»Weil ich mir davor noch ein schwarzes Kleid kaufen muss und schwarze Stiefel.«
»Die Leiche ist noch nicht freigegeben«, murmelte er, »aber eine Anzeige erscheint morgen im ›Stadt-Anzeiger‹ und in der ›Süddeutschen‹. Johannes und ich haben sie für uns alle aufgegeben.«
»Und wenn der Termin feststeht, wer verschickt dann die Traueranzeigen, ich meine, wer schreibt die Adressen und wer kümmert sich um die Beerdigung?«
»Das macht seine Sekretärin.«
War das im Sinne von Klaus? Dass eine Fremde in seinem privaten Adressverzeichnis kramte, Leute anschrieb, sie zu seiner Beisetzung einlud, Menschen, von denen sie nicht wusste, ob Klaus sie bei seinem letzten Weg dabeihaben wollte?
»Und was ist mit dieser Frau, die er verstümmelt haben soll?«, fragte ich so leise, dass Martin erst nach einiger Zeit nickte, mit den Worten:
»Ach ja, habe ich auch gelesen.« Danach widmete er sich wieder seiner Zeitung.
Am nächsten Tag erschienen Anzeigen im »Kölner Stadt-Anzeiger« und wahrscheinlich auch in anderen Zeitungen, auch die von uns, Martin und Britta, Johannes und Charlotte, Karlheinz und Karin, und eine halbseitige nur mit Namen, Geburts- und Sterbedaten und dem Zusatz »Deine Familie«.
Wer hatte sie verfasst? Katharina? Anna? Oder Timo?
Am selben Tag rief Rainer an. Warum er nicht einbezogen worden sei, er fühle sich ausgeschlossen, und das schmerze ihn nun zusätzlich zu seiner Trauer um Klaus.
»Rainer«, sagte ich sanft, »bitte, Rainer, nimm es uns nicht übel, ich weiß nicht, wer das entschieden hat, aber versteh doch, wir sind seine alten Freunde und –«
»Ich habe verstanden«, sagte er, und es war, als müsste er ein Schluchzen unterdrücken, »ich gehöre nur am Rande dazu, wenn ihr jemanden beim Doppelkopf braucht oder für irgendetwas anderes.«
Ohne Gruß legte er auf.
Später rief ich Charlotte an und fragte sie, ob sie etwas gewusst hatte von dieser Patientin, doch sie verneinte.
Karin, mit der ich danach telefonierte, war der Meinung, wir müssten etwas über Jennifer M. in Erfahrung bringen, und am Nachmittag entwarfen wir drei Frauen gemeinsam einen Plan, wonach ich als Journalistin in Klaus’ Klinik anrufen sollte.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und meldete mich mit meinem Mädchennamen in der Schönheitsklinik.
Jedoch
Weitere Kostenlose Bücher