Kreuzdame - Köln Krimi
Kind.
»Jawohl«, wiederholte der alte Papa, »und Fanta trinken.«
Vor so viel Glück nahm ich Reißaus. Ich ging eilig die Treppe hinunter, stolperte aus dem Gebäude, die Straße entlang bis zu meinem Wagen, schloss auf und fiel in den Sitz wie ein nasser Sack. Ich wollte weinen oder schreien, fühlte mich verloren, vergessen und für immer abgehängt. In wie vielen Nächten hatte ich mich nach Rino gesehnt! Und jetzt dieses Fiasko. Er hatte mich nicht erkannt, er kannte nicht mal mehr meinen Namen.
Ich sah in den Rückspiegel. Britta Mallberg, geborene Schmitz, was ist nur aus dir geworden, die frischen Gedanken, die Hoffnung, die Liebe, wo sind sie hin?
Ein junger Mann klopfte gegen die Scheibe und fragte, ob ich wegführe, ich nickte, startete den Motor und fuhr zum Rhein. Dort stieg ich aus und lief am Ufer entlang, an der Bastei vorbei und unter der Zoobrücke durch die Wiesen. Ich weinte, ich schrie meinen Kummer in den Wind, und erst als ich spürte, wie mir der Regen ins Gesicht peitschte, blieb ich stehen, holte tief Luft und beschloss, mich nicht aufzugeben, mich dem Leben, wie es war, zu stellen, ihm die Stirn zu bieten, mich nicht unterkriegen zu lassen. »Ich lebe«, rief ich dem Wind entgegen, »noch lebe ich, und niemand wird mich daran hindern.« Ich drehte mich um und ging den langen Weg zurück, durchnässt und frierend, aber mit geradem Rücken.
Voller Elan fuhr ich in die Innenstadt zurück. Später saß ich bei einem Cityfriseur, der mir ein neues Aussehen versprach, meine Dauerwelle glättete, die Haare zu einem kinnlangen Bob mit Pony kürzte und sie am Ende mit einer dicken Rundbürste in Form brachte.
Bei Bobbi Brown in der Kosmetikabteilung vom Kaufhof ließ ich mich schminken und kaufte mir anschließend Stiefel mit High Heels, Stretchleggings, die bedruckte Tunika aus der Werbeanzeige und eine braune Lederjacke. Auf der Kundentoilette im ersten Stock zog ich mich um, und als ich mich danach im Spiegel sah, war ich baff. So konnte ich aussehen? Der Pony kaschierte meine Stirnfalten, auch die Schlupflider fielen mit dem Kajalstift kaum auf, und mein Mund wirkte mit dem neuen Lippenstift geschwungen und voll. Ich wusch mir die Hände und trocknete sie ab, legte ein Eurostück in des Körbchen und ging lächelnd zur Rolltreppe.
Der Weg zum Auto in den neuen Schuhen war ungewohnt anstrengend, als ich dann jedoch langsam über die Deutzer Brücke fuhr, drehte ich das Radio so laut, dass mir die Bässe in den Ohren dröhnten. Jung fühlte ich mich und attraktiv.
Als ich auf der anderen Rheinseite vor dem »Hyatt« ausstieg, kam ich mir vor wie einer der vielen Promis, die dort oft zu Gast sind. Ich stöckelte die Treppe zum exklusiven Glashaus hinauf und wurde mit freundlicher Aufmerksamkeit an einen Tisch geleitet. Während ich mich setzte, hörte ich hinter mir eine vertraute Stimme.
»Adieu, Liebling, ich muss zurück in die Praxis.«
»Bis bald«, antwortete eine zweite mir ebenso vertraute Stimme.
Rasch drehte ich mich um. Doch ich sah sie nur von hinten, zwei Männer, die Richtung Treppe gingen. Der eine nahm die rechte, der andere die linke, so wie zwei beschäftigte Unternehmer, die sich eine Kaffeepause gegönnt hatten.
»Was darf ich Ihnen bringen?«, fragte in diesem Moment der junge Kellner und lächelte mich an.
»Einen Cappuccino«, erwiderte ich und versuchte, mich zu beruhigen. Ich hatte sie nicht von vorn gesehen, aber ich war sicher, dass es Johannes und Rainer gewesen waren. Konnte es sein, dass Johannes, dieser männlichste aller Freunde, schwul war? Dass Charlottes Nebenbuhlerin ein Nebenbuhler war, einer, gegen den sie mit all ihren weiblichen Reizen machtlos sein würde?
Als der Kellner meinen Cappuccino brachte und ich die volle Tasse anhob, zitterte meine Hand so sehr, dass ich die andere dazu nehmen musste. Sollte ich Charlotte davon erzählen? War das meine Pflicht? Und wenn ich mich verhört hatte und Johannes nicht »Liebling« gesagt hatte, sondern etwas ganz anderes? Wenn es nur eine freundschaftliche Begegnung gewesen war?
Ich hielt die Tasse in der Hand, nahm dann und wann einen Schluck und versuchte, mich zu sammeln. Wem konnte ich diese Geschichte anvertrauen? Karin war mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt, ebenso wie Karlheinz, und mit Martin sprach ich seit gestern nicht mehr.
Zu Hause hörte ich den Anrufbeantworter ab: Anna hatte daraufgesprochen. Sie wollte mit mir reden und nannte eine Nummer, unter der sie erreichbar war. Auch
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