Kreuzdame - Köln Krimi
erträumen kann. Deine Kinder sind wirklich zu beneiden, dass sie dich als Mutter haben.«
Martin lächelte, kam auf mich zu, nahm mich in den Arm und küsste mich auf die Wange.
»Ja«, flüsterte er mir ins Ohr, »du bist das Beste, das mir geschehen konnte. Ich danke dir.«
Ich drehte mich rasch zum Herd um, stellte die Platte, auf der die Schneckensuppe stand, auf die höchste Stufe, holte die Salatsoße aus dem Kühlschrank und rief: »Am besten setzt ihr euch gleich an den Tisch, damit …«
… ihr endlich aufhört mit dem Gesülze, hatte ich sagen wollen, aber da unterbrach mich Timo: »Mh! Riecht das lecker! Ich habe einen Bärenhunger.«
So saßen wir wenig später wie eine kleine Familie mit Vater, Mutter, Kind um unseren runden Esstisch und aßen und tranken, als wäre das unsere Gewohnheit. Als Timo nach dem dritten Glas Rotwein fragte, ob er die Nacht über bleiben dürfte, sah ich Martins Gesicht glücklich aufleuchten und kapitulierte endgültig. »Natürlich kannst du hier bleiben«, sagte ich. »Wir haben ein Gästezimmer mit Bad. Du kannst bleiben, so lange du willst.«
Ich stand auf, räumte den Tisch ab und brachte das schmutzige Geschirr in die Küche. Ich hatte während des Essens beschlossen, die Dinge zu nehmen, wie sie nun einmal waren, so wie sie mir das Leben vor die Füße geworfen hatte.
Als ich zurückkam, saß Timo allein im Esszimmer und sah zu den Familienfotos an der Wand.
»Wunderbar«, sagte er, »eine wunderbare Gemeinschaft seid ihr, Martin und du, Carolin, Hennes, Sebastian und Lisamarie. So glücklich seht ihr aus, vor allem die Kinder, eine richtige Einheit. Ich war immer allein. Ein typisches Einzelkind. Egoistisch und altklug. Nie wirklich ungezogen, eher angepasst. Bekam, was ich wollte, und wollte immer mehr. Klaus war oft mit anderen Dingen beschäftigt, hatte wenig Zeit für mich, und meine Mutter? Sie telefonierte, probierte Klamotten an, rannte zu Events und bestellte eine Kinderfrau, die mich betreute. Eines Tages dann kam ich ins Internat, und einmal im Jahr durfte ich mit ihnen wegfahren, nach Neuseeland, in die Dominikanische Republik, nicht wie die anderen nach Mallorca oder an die Adria. Es musste immer was Besonderes sein für Klaus. Genau wie seine Neue, diese Katharina. Die Schönste war gerade mal gut genug für ihn. Aber das war mir zu diesem Zeitpunkt schon längst egal. Seit meine Mutter weggelaufen war, hatte ich keine Lust mehr auf Familie. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen, und mit Klaus habe ich immer weniger Kontakt gehabt.«
Er tat mir leid, wie er so dasaß und die Fotos von unserer Familie ansah. Ich ging auf ihn zu und streichelte seine Schulter.
In diesem Moment kam Martin zurück. »Ich habe das Bett bezogen«, sagte er, »und frische Handtücher aufgehängt.«
Das war ja etwas ganz Neues. Mein Mann als Hausmann! Ich setzte mich wieder an den Tisch und sagte: »Ich trinke noch ein Schlückchen Rotwein mit euch. Danach gehe ich schlafen, meine Herren, aber ihr könnt ja noch zusammensitzen. Und falls es sehr spät wird, schlafe ich vielleicht besser in einem der Kinderzimmer –«
»Nein«, unterbrach mich Martin, »ich komme bald, versprochen.«
Wann war er gekommen? Oder kam er gar nicht? Als ich am nächsten Morgen erwachte, waren sie schon weg, Vater und Sohn. Martin hatte heute, am Sonntag, Dienst, und Timo hatte mich vielleicht nicht stören wollen. Der Frühstückstisch war gedeckt, und auf meinem Teller lag ein zusammengerolltes Blatt Papier mit den Worten: »Danke, ich liebe dich, dein Martin«.
Was konnte ich noch mehr erwarten vom Leben? Vier Kinder, einen Mann, der mich liebte, und ein neues Kind, das mich ins Herz geschlossen hatte. Warum hatte ich mich so verzweifelt gefühlt, wieso hatte ich gedacht, nicht mehr weiterleben zu können mit Martin? Gab es nicht weitaus schlimmere Enttäuschungen, die andere bewältigen mussten? Karlheinz beispielsweise, der erfahren hatte, dass er nicht der Vater seiner Kinder war. Und Charlotte, die noch nicht einmal ahnte, mit wem ihr Mann sie vermutlich betrog.
Der erste Schluck Tee floss wärmend durch meinen Körper. Das Leben trug nicht nur Frohsinn in sich, sondern auch Vergehen, Schuld und Traurigkeit. Daran würde ich mich gewöhnen müssen. Ich begann, mich auf das neue Kind zu freuen, auf seine Unschuld und auf diesen Neuanfang und dass es ohne Zweifel auch etwas von mir in sich trug.
Weil nun endgültig feststand, dass der Unfall fremdverschuldet war und vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher