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Kreuzstein

Kreuzstein

Titel: Kreuzstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiber
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hineingeschlagen. Aus der Luft wirkten sie wie Käfer, die eine Spur durch die graue Masse fraßen.
    Die Sicherung der Spuren am Drachenfels war inzwischen abgeschlossen. Allenstein hatte mit vierzehn Doktoranden aus allen Abteilungen die Suchmannschaft der Polizei begleitet und in dem von der Sprengung unberührten Teil jeden auffälligen Stein begutachtet. Ein aussagekräftiges Fremdgestein wurde jedoch nicht gefunden. Die Aufräumarbeiten waren in vollem Gange. Als Wichtigstes war bereits die Bahnverbindung freigelegt und die ersten Schienen ausgetauscht worden. Der Fußweg zum Drachenfels, der alte Eselsweg, war gesperrt, aber die Sperrung wurde von der Bevölkerung nicht ernst genommen. In Scharen pilgerten die Bewohner der angrenzenden Ortschaften ins Siebengebirge, um ihren Drachenfels zu betrauern. Die Burg hatte zur Erleichterung aller kaum Schaden genommen, weil der Fels nur bis kurz vor dem Turm abgesprengt worden war. Um das Lokal trauerte keiner. Es lag jetzt als Teil der Schuttdecke neben dem Gleisbett, beinahe auf Rheinniveau.
    Ein wenig außerhalb der Absperrung freute sich ein Kind über einen der letzten Schneeflecken am Wegesrand. Es kratzte das verharschte Weiß zu einem Schneeball zusammen.
    »Mama, Mama, guck mal, aus dem Schneeball hängt eine Kette.«
    Gabi hatte sich mit Henno in einem Café in der Nähe des Geologischen Instituts getroffen. Sie war auf dem Weg zum Dom, musste aber vorab dringend etwas klären. Nachdem sie bestellt hatten, zog sie eine kleine Schachtel aus der Tasche und nahm eine kleine Klarsichttüte mit einem etwa walnussgroßen Gegenstand heraus.
    »Diese Kette hier ist bei der Polizei in Königswinter abgegeben worden, und zwar nach unserem Aufruf in der Presse, Auffälliges zu melden. Der Anhänger sieht aus wie ein Stein, aber mittendrin befindet sich ein schwarzes Kreuz. Kannst du mir das erklären?«
    Henno nahm seine Lesebrille aus dem Etui und betrachtete das Schmuckstück kurz.
    »Das ist ein Chiastolith, zu Deutsch ein Kreuzstein. Ein Mineral, das durch thermische Metamorphose aus anderen Mineralen gebildet wird.«
    »Ist das nun eine verlorene Kette oder der nächste Hinweis?«
    »Erst einmal ist es eine Schmuckkette. War der Verschluss zu?«
    »Zumindest, als wir sie aus Königswinter bekamen.«
    »Könnte natürlich ein Hinweis sein. Als Anhänger ist es eher ungewöhnlich. Diese Minerale entstehen in Gesteinen der tieferen Erdkruste unter hohen Drucken und Temperaturen. Man nennt diese Gesteine Metamorphite, weil sie sich während der Metamorphose, also der Umwandlung, aus vorhandenen Gesteinen neu gebildet haben. Und das nur durch sehr langsame Kristallneubildung, ohne dass sie aufgeschmolzen wurden.«
    »Dann ist das also gar kein Stein, sondern ein Mineral. Und das Kreuz?«
    »Dort wo das Mineral kristallisiert ist, waren vorher andere Minerale und auch Kohlenstoff. Du musst dir das so vorstellen: Nimm Sande und Tone, die zum Beispiel in der Niederrheinischen Bucht abgelagert wurden und langsam in die Tiefe gelangen, weil sich ein Graben bildet und der Bereich absinkt. In den Sedimenten gibt es immer organische Reste. Das macht den Schlamm so schwarz. Immer neue Sedimente lagern sich über die ersten Sedimente, bis mehrere Kilometer zusammengekommen sind. Dadurch entsteht ein enormer Druck, der auf jedes Mineralkorn einwirkt. Hinzu kommt von unten Wärme, die mehrere hundert Grad betragen kann, manchmal sogar noch mehr, wenn heißes Magma mit im Spiel ist. Im Kontaktbereich zu solchen Magmen heizt sich das Randgestein stark auf, und es können sich diese Chiastholithe bilden.«
    »Schön, aber was ist jetzt mit dem Kreuz?«
    »Wenn so ein Mineral wächst, hat es viele Nachbarn. Stell dir einen Eiswürfel vor, der aus trübem Wasser kristallisiert. Der Dreck ist fein verteilt, das Eis möchte aber möglichst nur Wasser in seinem Gitter einbauen. Also wird der Dreck an die Seite geschoben, was aber nur geht, wenn das Eis sehr, sehr langsam gebildet wird. Genauso ist das im Chiastolith. Es bildet sich ein großes weißliches Mineral und die überall fein verteilten, kohligen Substanzen werden an den Rand gedrängt. Dort bilden sie diese schwarze Linie, die nur aus Kohlenstoff besteht. Unter bestimmten Bedingungen wachsen die Minerale so, dass sich in der Mitte das Kreuz ergibt.«
    »Das ist faszinierend. Wenn der Täter die Kette bewusst dort abgelegt hat, bekommt das Ganze eine völlig andere Qualität. Fällt dir irgendetwas ein, was mit diesen

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