Kreuzstein
leeren Flasche in der Hand.
Weller trat auf ihn zu. »Robert?«, fragte er scharf.
»Richtig geraten. Ich habe hier was für dich«, lallte der Obdachlose. Er kramte unter seinen Decken ein schmutziges Päckchen hervor und warf es ihm zu.
Weller wandte sich ab und blickte sich um, während er das Päckchen auswickelte. Seine Kollegen waren noch in Reichweite. In diesem Moment kam auch schon die nächste Anweisung. Wo mochte der Kerl stecken? Offensichtlich sah er ihn doch.
»Zurück über den Dom zum Breslauer Platz. Die U-Bahn hält dort nicht, ziehen Sie die Notbremse und gehen Sie die Treppe in Fahrtrichtung bis in halbe Höhe. Warten Sie dort.«
»Soll ich der Anweisung folgen?«, fragte Weller über Funk im Präsidium an, nachdem er aufgelegt hatte.
»Seien Sie vorsichtig«, riet Baumann. »Da ist eine Baustelle, wegen der neuen Nord-Süd-Verbindung. Wenn unsere Leute da aussteigen, fallen sie sofort auf. Wir werden versuchen, von oben an Sie heranzukommen.«
Es waren kaum Fahrgäste in der Bahn, als Weller am Neumarkt einstieg. Er postierte sich an der Tür, in Reichweite der Notbremse, und blickte sich suchend nach seinen Kollegen um, die ihm in sicherem Abstand gefolgt waren.
An der Haltestelle Dom/Hbf. füllte sich der Zug deutlich, und einige Fahrgäste stellten sich direkt neben Weller. Er musterte sie unauffällig. Eigentlich hielt er keinen von ihnen für den Erpresser, aber man konnte ja nie wissen.
Vor dem gesperrten Breslauer Platz bremste die Bahn leicht ab. Als das Dunkel der Notbeleuchtung im Bahnhof wich, nahm er seinen Ausweis aus der Tasche und zog gleichzeitig die Notbremse.
»Polizei! Das ist ein Notfall! Bleiben Sie ruhig, Sie fahren gleich weiter!«, rief er den anderen Fahrgästen zu und sprang auf den Bahnsteig, als sich die Türen öffneten. Schnell rannte er zum Treppenaufgang. Hinter sich hörte er den Zugführer toben.
Die Treppe war lange nicht benutzt worden. Überall lagen Müll und Reste von Bauschutt herum. Etwa auf halber Höhe blieb er stehen und wartete. Ein Kollege hatte sich unten hinter einem Stapel Baumaterial verschanzt. Am oberen Zugang war niemand zu sehen.
Weller zog das Handy aus der Tasche und wartete. In der anderen Hand hielt er die Aktentasche mit dem Geld. Kurz zweifelte er, ob er hier überhaupt Empfang haben würde, aber in diesem Moment klingelte das Handy. Die Anweisung war knapp und deutlich.
»Nehmen Sie das Gitter aus der Wand und werfen Sie die Aktentasche hinein. Wenn nicht, geht in vier Minuten die erste Ladung hoch.« Sofort war die Verbindung wieder unterbrochen.
Auf der Außenseite der Treppe befand sich ein etwa koffergroßes vergittertes Loch in der gekachelten Wand. Das Gitter ließ sich problemlos herausnehmen, die Sicherungsschrauben waren bereits entfernt worden.
»Was soll ich machen?«, flüsterte er in das Mikro am Kragen seiner Winterjacke.
»Werfen Sie es in zwei Minuten ein«, sagte Baumann. »Das wird eine Verbindung zur Baustelle der neuen U-Bahn sein. Wir sind sofort da.«
Weller steckte vorsichtig seinen Kopf in das Loch. Weit entfernt hörte er ein Brummen, das wohl von einer der zahlreichen Grundwasserpumpen stammte. Der Versuch, die Dunkelheit mit dem beleuchteten Display des Handys zu durchdringen, war aussichtslos. Bevor er die Aktentasche in die Öffnung hielt, drehte er sich noch einmal nach beiden Seiten um. Die zwei Minuten waren jetzt sicher vorbei. Er ließ los und wartete auf den Aufschlag, aber es war kaum etwas zu hören. Offensichtlich lag das Niveau der Sohle wesentlich tiefer als das bestehende Gleisbett.
Weller unterrichtete Baumann, der ihn umgehend in die Zentrale zurückbeorderte. Die Kollegen sollten die weitere Fahndung übernehmen. Obwohl die gesamte Umgebung sofort weiträumig abgesperrt wurde, gab es, als Weller wieder bei Baumann eintraf, noch keine Hinweise auf den Täter und den Verbleib des Geldes. Der Erpresser kannte sich anscheinend in dem weit verzweigten Wegenetz der Baustelle so gut aus, dass er seinen Vorsprung nutzte und schon weg war, als die Polizei an der Abwurfstelle eintraf.
Baumann stand unter Hochspannung. Sie hatten eine Großfahndung nach dem Erpresser ausgelöst, und er wartete ungeduldig darauf, dass sich etwas tat. Der Sender war zunächst für kurze Zeit verstummt, vermutlich, weil der Aktenkoffer so tief unter der Erde lag, aber vier Minuten später kamen die ersten Signale. Als das Telefon klingelte, nahm Baumann hastig ab. Aber es war nur einer der Kollegen, die
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