Kreuzstich Bienenstich Herzstich
mit einer Frau abgezogen ist.«
»Wie sah sie aus?« Seifferheld schrie es fast.
Der Barkeeper zuckte zurück.
»Blond? Brünett? Schwarzhaarig?«, rief Seifferheld.
»Also, ich glaube, sie war … grauhaarig. Mit so einem langen Zopf.« Der Barkeeper zuckte mit den Schultern, schnappte sich zwei Karten und hastete in den hinteren Teil der Bar.
»Eine Frau«, stöhnte Seifferheld. Seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Klaus war auf die Serienkillerin gestoßen. »Eine Frau«, seufzte er nochmals. »Eine Frau mit Zopf!« Eine schlimme Ahnung bemächtigte sich seiner.
Der alte Mann im Karoblazer nickte Seifferheld beruhigend zu. »Keine Sorge, mein Freund. Der Junge will nur mal wissen, wie es am anderen Ufer so ist. Aber der kehrt wieder zu Ihnen zurück, glauben Sie mir. Wahre Liebe siegt immer.«
»Wie bitte?« Seifferheld saß auf dem Schlauch.
»Wuff«, bellte Onis.
Es klang, als ob er lachte.
Aus dem Polizeibericht
PLATTFUSS UNTERWEGS
Rund 40 Kilometer wollte ein Mann auf dem Weg zur Arbeit zurücklegen, und das zu Fuß auf dem Standstreifen der A6 in Richtung Heilbronn. Der Pole hatte einen Rollkoffer dabei und war in derNacht zum Montag unterwegs. Er wolle zu seiner Arbeitsstelle in Neckarsulm, erzählte der 36-Jährige den verblüfften Beamten der Autobahnpolizei. Die Polizei teilte mit, der Mann sei bei klarem Verstand gewesen, nur habe er wohl die Entfernung völlig falsch eingeschätzt. Die Beamten fuhren ihn daraufhin zum nächsten Bahnhof.
Ein böser Verdacht keimt auf und vermehrt sich wie in einer Petrischale mit Zuckerlösung
Wie viele Frauen hatten noch einen langen grauen Zopf? Wie viele? In ganz Schwäbisch Hall wohl ungefähr – Seifferheld überschlug die Zahl im Kopf – ungefähr … eine. Und er kannte sie.
Seine Schwester Irmgard.
Wieder eine schlaflose Nacht.
Irmgard.
Die seit den Wechseljahren zunehmend verbittert schien. Vereinsamt. Kein gutes Haar an irgendjemandem ließ.
Irmgard.
Die nichtsdestotrotz Bekanntschaftsanzeigen mit rotem Stift umkringelte. Suchte sie einen Mann, um ihrer Einsamkeit zu entfliehen? Oder suchte sie einfach einen Dunkelhaarigen, den sie umbringen konnte?
Es war natürlich lächerlich. Seine Schwester brachte niemanden um. Sie wüsste doch gar nicht, wie das gehen sollte. Außer natürlich durch spitze Bemerkungen. Aberdie trieben einen erst dann in den Selbstmord, wenn sie jahrelang auf einen niedergeprasselt waren.
Onis schnarchte auf dem Bettvorleger.
Seifferheld wusste nicht, was er tun sollte. Sollte er seine Schwester mit seinem Verdacht konfrontieren? Ihr auf den Kopf zusagen, dass er sie für eine Serienmörderin hielt? Gott, wie blöd war das denn.
An Schlaf war nicht zu denken.
Er stand wieder auf und nahm sich seine Stickarbeit vor.
Da hörte er draußen auf der Gasse ein Motorengeräusch.
Seifferheld sah aus dem Fenster.
Es war Karina. Karina mit den seit neuestem knallpink gefärbten Haaren.
Auf einem gelben Motorroller.
Bitte nicht, flehte Seifferheld. Lebte er tatsächlich unter demselben Dach wie eine Massenmörderin und eine Rollerdiebin?
Seifferheld seufzte.
Das Haltbarkeitsdatum auf der Flasche Sir Irish Moos ist nur ein ungefährer Richtwert, keine verbindliche Sollgröße
»Meine Güte, kann man eigentlich auch einen Naseninfarkt bekommen? Wenn ja, dann habe ich gerade einen.« Olaf verschloss die Flasche und stellte sie auf das Bücherbord.
Er hatte soeben letzte Hand an Seifferheld gelegt, die obligatorische Massage nach den Streck- und Dehnübungenwar vorüber. Und nun wollte sich Seifferheld ausnahmsweise mal wieder mit seinem Lieblingsduft benetzen. Sir Irish Moos.
»Spotten Sie nur, mein Junge«, meinte Seifferheld ungerührt und zog sich das Unterhemd an. »Das ist der Klassiker unter den Männerdüften.«
»Herr Seifferheld, die Flasche stammt aus den frühen Siebzigern!« Olaf ließ es so klingen, als könnte das Duftwasser jeden Moment in einem riesigen, radioaktiven Pilz explodieren.
»Viele Klassiker stammen aus den frühen Siebzigern. Abba. Schlaghosen. Vokuhila-Frisuren. Ich bin damals günstig an eine Palette Sir Irish Moos gekommen und verwende die Flaschen bis heute. Mit großem Erfolg in der Damenwelt, wie ich anmerken möchte.« Gucci for Men hatte ihm nämlich bislang kein Glück gebracht.
Olaf rollte mit den Augen und fing an, seine Sachen einzupacken. »Ich weigere mich, Ihnen diese Flasche in die Hand zu drücken. Ich mache mich mitschuldig, wenn der Inhalt sich
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