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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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gasförmig.
    Sollte der Leichnam zu diesem Zeitpunkt zufällig im Freien liegen, hallt durch die Natur ein unhörbarer Gong: Essen ist angerichtet! In erster Linie hören Bakterien diesen Gong, für das menschliche Auge besser sichtbar folgen gleich darauf die Insekten. Fliegen legen ihre Eier in der Leiche ab. Die fetten, gelblichen Larven der Fliegen genießen alsdann den Festschmaus.
    Aus irgendeinem Grund verlassen die Maden bald darauf die Leiche in Richtung Süden. Der Sonne entgegen. Jawohl, in der Tat, da können Sie jeden Gerichtsmedizinerfragen. Ihre fetten, gelblichen Körper robben zielstrebig gen Süden. Sie tun das gern hintereinander, deshalb scheint irgendwann von der Leiche ein pulsierender, gelblicher Tentakel auszugehen.
    Den Kopf eines solchen Tentakels entdeckten an einem späten Donnerstagabend Märte-Luise und Noah, beide sechzehn Jahre alt, die sich zum Extremknutschen hinter einen Busch in der Auwiese zurückgezogen hatten.
    Wie nicht anders zu erwarten, reagierte Noah angeekelt, Märte-Luise mit ihrer Eins in Biologie jedoch interessiert. »Was ist das denn?«, fragte sie sich und folgte dem Tentakel zurück zu seinem Ursprung.
    »Lass doch, das stinkt«, rief Noah noch. Aber Märte-Luise war nicht zu bremsen.
    Und so fand sie die Leiche von Reinhard Schäfer-Proll. Natürlich wusste sie im Moment des Auffindens nicht, dass es sich um Reinhard Schäfer-Proll handelte, genauer gesagt war – ähnlich wie bei Ludger Klier – nur an dem schwarzen Schiedsrichtertrikot und an den Sportschuhen eindeutig zu erkennen, dass es sich um einen Menschen handelte.
    Die Haut über den Fleischmassen schien sich zu bewegen, so üppig war die Zahl der Maden, die sich ihren Weg ins Freie erst noch bahnen wollten.
    Während Noah sich ausgiebig übergab und anschließend im Gras auf die Knie ging und seine Mami anrief, machte Märte-Luise einige Handyfotos aus verschiedenen Blickwinkeln.
    Dann wählte sie die Nummer der Polizei.
    Und gleich darauf die ihrer besten Freundin Ann-Kathrin. Mit dieser Geschichte konnte sie sogar Ann-KathrinsZufallsbegegnung mit dem Tourbus von Tokio Hotel bei einer Stadtrundfahrt durch Berlin in den Osterferien toppen.
Mit Volldampf voraus! Dank Heron von Alexandria, der die Dampfmaschine schon 1900 Jahre vor James Watt erfand
    Vor Schreck ließ Seifferheld beinahe den Stickrahmen fallen. Er musste dringend Entspannungsübungen machen, bevor er seinem heimlichen Hobby nachging. Sonst würde er eines Tages noch einen Herzinfarkt bekommen, nur weil er ein Geräusch hörte. Weil beispielsweise eine seiner Frauen zufällig während seiner Stickstunde an die Tür klopfte.
    Dieses Mal hatte jedoch niemand geklopft. Sein Handy hatte geklingelt.
    Seifferheld holte tief Luft und klappte dann sein Handy auf.
    Es war Brigitte Boll, seine Ex-Sekretärin.
    »Biggi, na so was«, rief Seifferheld.
    »Es gibt wieder einen Toten«, flüsterte sie.
    »Was ist? Ich kann dich kaum verstehen.«
    »Ich kann nicht lauter reden«, wisperte Biggi Boll. »Nebenan wird gerade die SoKo eingerichtet. Siggi, jetzt haben sie es endlich begriffen. Ab sofort wird ermittelt. Mit Volldampf!«
    Seifferheld hätte sich freuen müssen. Aber er hatte eher das Gefühl, als greife eine klamme Hand nach seinem Herzen.
    »Weiß man schon, wer der Tote ist?«
    Sein Puls setzte aus.
    Die Zehntelsekunde, die es dauerte, bis Biggi antwortete, schien sich endlos zu ziehen.
    Biggi nickte heftig mit dem Kopf. »Ein gewisser Reinhard Schäfer-Proll. Schiedsrichter. Wohnhaft Unterlimpurger Straße 191.«
    Seifferheld fiel ein Stein vom Herzen. Mehr als ein Stein. Ein Fels. Ein Berg. Ein Gebirge. Der Himalaya.
    »Schäfer-Proll hat zuletzt das legendäre Landesliga-Spiel FV Künzelsau gegen Sportfreunde Schwäbisch Hall gepfiffen. Es kam noch während des Spiels zu Handgreiflichkeiten, ja fast zu Randalen. Offenbar waren seine Entscheidungen mehr als strittig und für die Haller Seite untragbar. Ich verstehe ja nichts von Fußball, aber anscheinend hat er nach harmlosen Fouls Elfmeter schießen lassen und dann auch noch auf vier Minuten Nachspielzeit entschieden, wobei den Kiauern, wie man die Künzelsauer in der ganzen Region liebevoll nennt (wobei die Haller Fußballer im Verlauf dieses Spiels gern von Künzelsäuern gesprochen hätten), beinahe der Ausgleich geglückt wäre. Es wurden Rufe von Bestechung laut. Nach dem Spiel ist er spurlos verschwunden. Man glaubte, er sei aus Angst vor erbosten Fans untergetaucht. Jetzt ist er

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