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Kreuzweg der Zeit

Kreuzweg der Zeit

Titel: Kreuzweg der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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Bestes. Manny, mir gefällt die Sache nicht. Wie wär's, wenn du ihn hier ließest. Ich lege ihn in eines der hinteren Zimmer. Da kommt er nicht heraus. Ich will ihn eine Weile im Auge behalten.«
    Als der andere zögerte, fügte der Arzt ungeduldig hinzu: »Du kannst ja einen Wachtposten vor der Tür postieren, wenn es dich und den Sergeanten glücklich macht. Das ist der einzige Ausgang – ungesehen kommt er nicht 'raus. Meiner Meinung nach ist er auch nicht in der richtigen Verfassung, um die Flucht zu riskieren.«
    Manny zuckte die Achseln. »Okay. Er gehörte Ihnen, Doc. Ich sag's dem Sergeanten. Bis bald!«
    Blake sah ihm nach. Der dumpfe Schmerz in seiner Schulter wurde ihm nun viel stärker bewußt. Der Arzt hatte ihm eine neue Sorge aufgebürdet.
    »Wie schlimm ist es wirklich, Doktor?«
    »Schlimm genug, um einen Tech hierzubehalten, wo ich ihm ein paar Fragen stellen kann«, erwiderte der Arzt. »Nach Ihrem Aussehen zu schließen, haben Sie eine ziemlich harte Zeit hinter sich. Was halten Sie von einem heißen Bad, einem guten Essen und etwas Unterhaltung? Ist doch besser, als in einer Zelle zu hocken –«
    Blakes Miene hellte sich auf. »Ganz entschieden!«
    Das Bad mußte er in einer Zinkwanne nehmen, die mit Eimern gefüllt wurde, doch reichte es aus, ihm die Kälte aus den Knochen zu ziehen. Mit frischen, wenn auch abgetragenen Sachen ausgestattet, setzte er sich mit dem Arzt an den Tisch und fühlte sich seit Tagen wieder wohler. Seine Schulter war jetzt bandagiert.
    »Wo ist das Hauptquartier der Techs? Irgendwo im Norden würde ich sagen, nach der Pelzjacke zu schließen.«
    Blake war versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber die Vorsicht siegte, und er antwortete mit der glaubwürdigsten ausweichenden Antwort, die ihm einfiel.
    »Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich bin überstürzt aufgebrochen und hier gelandet. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oder warum.«
    Die klugen Augen des Arztes begegneten den seinen. »Das klingt fast nach Wahrheit. Sie sagen, Sie wären überstürzt aufgebrochen. Hat Manny etwa recht? Sind Sie ein Ausgestoßener? Sie haben eine von einer unbekannten Waffe verursachte Verbrennung. Bekämpfen sich die Techs untereinander, oder sind die Nastis wiedergekommen und haben euch überfallen?«
    »Soviel ich weiß, keines von beiden. Ich hatte mit einem – nun ja, man könnte ihn Renegaten nennen – zu tun«, sagte Blake und versuchte, die Tatsachen so zu schildern, daß der andere ihm glauben würde. »Er möchte sich zum Diktator aufschwingen.«
    »Ein Westentaschen-Hitler?« Der Arzt schien nicht weiter überrascht. »Davon hatten wir etliche, seit der echte nicht mehr auf der Wellenlänge von London zu hören ist. Sie kommen und gehen – wie eine Landplage.«
    »Aus London!« Blake klammerte sich an das Stück Information, das so erregend war. »Hitler in London! Seit wann?«
    »Hat denn Ihr Haufen nicht die letzte Radiomeldung gehört, bevor das Unternehmen ›Tiefschlag‹ anlief?« wollte der Arzt wissen. Als Blake den Kopf schüttelte, fuhr er fort: »Ja, ich erinnere mich – damals war alles reichlich desorganisiert, und die Löcher, in denen ihr Techs stecktet, waren von der Außenwelt abgeschnitten. Ich arbeitete damals in Sektor vier – Verteidigungszone. Wir haben seine letzte Rede gehört. Dann wurde er mitten im Wort abgeschnitten, und wir wußten, daß unsere Raketen London erreicht hatten. Von da an kam kein Piep mehr. Eines Tages – vielleicht in fünf, zehn Jahren, wenn der Sergeant und andere wie er uns wieder auf die Beine bringen, werden wir ein Flugzeug oder ein Schiff hinüberschicken und endlich erfahren, was aus Adolf und seinen Anhängern geworden ist.«
    Das entscheidende historische Ereignis! Darauf konzentrierte sich Blake. Das alles hatte mit dem zweiten Weltkrieg zu tun. Soweit konnte er die Ereignisse fixieren. Aber welches Ereignis während des Krieges? Hastig versuchte er sich die schicksalsschweren Augenblicke jenes Konfliktes in Erinnerung zu rufen. Und dann glaubte er einen Anhaltspunkt gefunden zu haben.
    »Dann hat also Hitler die Schlacht um England gewonnen«, flüsterte er, den Arzt völlig vergessend.
    August und September 1940! Der Zeitstrom hatte sich an diesem Punkt gegabelt; diese Welt hatte einen eigenen Weg eingeschlagen, seine Welt den anderen, ihm bekannten.
    Als Blake später in einer Koje lag, dachte er über dies alles nach, während er zu der rissigen und schmutzigen Decke hinaufstarrte. Gedämpft drangen die Geräusche

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