Kreuzzug gegen den Gral
geboten, der andere aber hat sie durch seinen Apostel, unter Androhung der Verstoßung von Christus verboten (Gal. V 2). Der eine hat durch seinen Gesetzgeber den Juden die Herrschaft über viele Völker verheißen lassen (5. Mos. XV 9), der andere dagegen hat den Sei-nigen jede Herrschaft verboten (Matth. XX 25). Der eine hat den Juden den Wucher gestattet (5. Mos. XV 6), der andere aber hat ihn untersagt (Lukas VI 35). Der eine läßt erklären, daß durch die Tieropfer die Sünden getilgt würden, der andere versichert, es sei unmöglich, daß durch das Blut der Stiere und Böcke die Sünden hinweggenommen würden. Jener verheißt, »in die Finsternis einer Wolke gehüllt« zu kommen (2 Mos. XIX 9), dieser aber »wohnt in unzugänglichem Lichte« (1. Tim. VI 16). Jener will die Menschen sich nicht nahen lassen und straft schon das bloße Ausstrecken der Hand nach der Bundeslade mit dem Tode (2. Mos.
III 5; 2. Sam. VI 6), von diesem dagegen heißt es: Nahet euch Gott und er wird sich euch nahen (Jak. IV 8). Der Gott des Alten Bundes hat, indem er über jeden, der am Holze hängen würde, den Fluch ausgesprochen (5. Mos. XXI 23), Christus zum voraus verflucht.« Döllinger Bd. I S. 145-147. Das bereits erwähnte - von Cunitz veröffentlichte - Rituale der Catharer führt Jesaias und Salomon an, ein Beweis, daß die Verwerfung des Alten Testamentes seitens der Albigenser keine absolute war (vgl. Lea Bd. I S. 102). Nach Döllinger (Bd. I S. 148-149) anerkannten die Catharer die Bücher der Propheten, das Buch Hiob, die Psalmen, Salomons Schriften und das Buch der Weisheit - mit anderen Worten: fast alle prophetischen Bücher und Lehrbücher - unter der Annahme, sie seien der gute, unter Eingebung des Vaters der Gerechten geschriebene Teil des Alten Testamentes. - In besonders hohem Ansehen stand bei ihnen die apokryphe Vision des Jesaias: habent quendam libellum Isaiae, in quo conti-netur, quod Spiritus Isaiae a corpore raptus usque ad septem coelos de-ductus est. Vgl. Döllinger Bd. I S. 150.
74 Wolfram von Eschenbach: 463.
Den an die großen kosmogonischen Sagen des Orients erinnernden ca-tharischen Mythus vom Sturz Luzifers, der Entstehung der Erde, dem Werden des Menschen und der Epiphania des Äon Jesus habe ich nach Schmidt und Döllinger, sowie den dort angegebenen zeitgenössischen Quellen zusammengestellt. Vgl. deshalb Schmidt Bd. II S. 63 ff., Döllinger Bd. I S. 138 ff. Nach bogumilischer und occidental-catharischer Auffassung waren die ersten Menschen Riesen (im Anschluß an Gen. VI 4). Diese »Gewaltigen« cognoverunt per daemones patres suos diabolus omnia creasse. Unde diabolus dolens eos ista scire, dixit: Poenitet me fecisse hominem. (Gen VI 6). Vgl. Schmidt Bd.I S. 70 Anm. 2.
Den Catharern war der Kampf zwischen Michael und Luzifer, wie ihn die Apokalypse beschreibt, wohl bekannt. Satan wurde besiegt, und die Opfer seiner List wurden mit ihm aus dem Himmel ausgestoßen, oder -wie die Apokalypse sagt - der Drache, die alte Schlange, zog den dritten Teil der Sterne, d. h. der Engel, mit sich herab. Offbg. Joh. XII 7-9; XIV 20. Vgl. auch Döllinger Bd. I S. 137. Eine volkstümliche Ansicht über den Fall der Engel, wie sie in Südfrankreich herrschte, gibt Döllinger in Anm. 4 zu S. 138. Hingegen »gab es auch philosophische Geister, die sich über diese Spekulationen erhoben und merkwürdigerweise die
Lehren des modernen Rationalismus vorwegnahmen. Bei diesen trat die Natur an Stelle des Satan; nachdem Gott das Weltall gebildet, überließ er die Lenkung desselben der Natur, die die Macht hat, alle Dinge zu schaffen und zu ordnen. Selbst die Hervorbringung der Einzelart geschieht nicht durch die göttliche Vorsehung, sondern ist ein Vorgang der Natur, in moderner Sprache zu reden, ein Vorgang der Evolution oder der Entwicklung. Diese Naturalisten, wie sie sich selbst nannten, leugneten das Vorhandensein von Wundern und erklärten die der Evangelien durch eine Exegese, die ebenso gezwungen war wie die der Orthodoxie. Sie glaubten z. B., es sei zwecklos, den lieben Gott um gutes Wetter zu bitten; denn die Natur allein regele die Elemente. Sie schrieben viel, und ein katholischer Gegner (Lucas Tudensis) gibt zu, daß ihre Schriften anziehend sind, besonders das Perpendiculum Scientiarum (Richtlot der Wissenschaften), von dem er sagt, daß es wegen seines philosophischen Gewandes und seiner glücklich gewählten Stellen wohl geeignet war, auf den Leser einen tiefen Eindruck zu machen.« Lea Bd. I S.
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