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Krieg der Drachen - Roman

Krieg der Drachen - Roman

Titel: Krieg der Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael A Stackpole
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alles an, dann nickte er mit ernster Miene. »Ich hab mich schon gefragt, wann der Herr mich ruft, SEIN Werk zu tun. Klingt, als wäre dieser Knabe du Malphias mindestens ein Teufelsjünger. Wenn Ihr mich wollt, begleite ich Euch. Wenn nicht, dann komm’ ich wohl trotzdem mit.«
    Owen grinste breit. Friedensreichs Gesellschaft führte augenblicklich zu Veränderungen. Obwohl Nathaniel und Kamiskwa ihn, nachdem er die Ungarakii getötet hatte, endlich doch als mehr denn nur selbsttätig mobile Fracht behandelten, trugen sie letztlich mehr als ihren Teil der Verantwortung. Zugegeben, er besaß keine Wildniserfahrung, und sie waren bereit, ihn zu unterrichten, aber es blieb dabei, dass sie manches selbst erledigten, einfach deshalb, weil es so einfacher für sie war.

    Zu viert – und dazu mit einem so riesigen vierten Mann wie Friedensreich – konnten sie nicht länger in einem Kanu reisen. Also stieg Owen zusammen mit Bein in ein zweites. So kamen sie etwas schneller voran, und trotz der schmerzenden Schultern und Brustmuskulatur gefiel Owen die zusätzliche Arbeit.
    Außerdem war Nathaniel Wald in Friedensreichs Gegenwart etwas zurückhaltender. Er nannte den Waldläufer ebenfalls Zauberfalke, aber Owen verzichtete auf Nachfragen. Das hätte das Vertrauen zerstört, das sie allmählich aufbauten. Stattdessen zog er sich abends zurück und schrieb in sein Tagebuch, während die drei anderen sich Geschichten erzählten, die sie offensichtlich alle schon kannten, aber trotzdem gerne noch einmal hörten. Und bei all seiner Bescheidenheit blieb Friedensreich den beiden anderen auf diesem Gebiet nichts schuldig.
    Während er ihnen im Verlauf der nächsten Wochen zuhörte, wurde Owen bewusst, dass sie alle ein Gefühl der Freiheit teilten, wie er es nie gekannt hatte. Eines Abends erzählte Nathaniel, wie er als Kind Eier vom Bauernhof einer alten Frau geklaut hatte. Danach hatte er jahrelang versucht, das in ihren Augen wiedergutzumachen. Er hatte im Winter für sie Brennholz gehackt, hatte ihr Felle und Fleisch gebracht, Botschaften überbracht, Pakete abgeholt und war jedes Mal bei ihr vorbeigegangen, wenn er ihn der Nähe war, um sich zu erkundigen, ob er etwas für sie tun konnte.
    »Dann, vor etwa fünf Jahren, komm ich zu ihrem Hof, und es kam kein Rauch aus ’m Schornstein. Waren keine Hühner auf ’m Hof. Ich hab natürlich gleich das Schlimmste angenommen.« Nathaniel drehte den Spieß, an dem eine Krähe über dem Feuer hing. »Bin runter nach Eichenstadt, um zu fragen. Sie haben mir erzählt, es ginge ihr schlecht, un’ deshalb hätten sie der Prediger und seine Frau bei sich aufgenommen. Ich also hin, um nach ihr
zu sehen. Lag in ihrem Bett, und kaum sieht sie mich, lässt sie eine Schimpfkanonade los, nennt mich alle Arten von Strauchdieb. Schätze, der Prediger hat mein Gesicht gesehen. Hat mir wehgetan, sie in so ’nem Zustand zu sehen. Und er sagt zu ihr: ›Großmutter Rüstig, Ihr hasst diesen Jungen nun schon fast zwanzig Jahre wegen einer Handvoll Eier, mit denen er nicht einmal davongekommen ist. Könnt ihr ihm nicht wenigstens jetzt vergeben?‹«
    Nathaniel schmunzelte. »Sie guckt also zu ihm hoch, grinst ihn an ohne einen Zahn im Mund, und sagt: ›Ich hasse ihn nicht. Ich hab ihm schon vor zwanzig Jahren vergeben, Ehrwürden, ich hab es ihm nur nie gesagt. Wenn ich das getan hätte, wer hätt’ mir dann Wild und Felle gebracht? Wer hätt’ mir das Holz gehackt, das Wasser geschleppt und das Dach geflickt?‹ Und der Ehrwürden hat gesagt: ›Vielleicht hätte er es in seinem Herzen gefunden, das trotzdem zu tun.‹ Und sie spießt ihn auf mit ihrem Blick und sagt: »Ihr predigt Buße, aber ihr verlangt nicht mehr als ein Wort und ein Nassmachen. Ich lass ihn dafür arbeiten. Das behält er.‹ Und Ihr könnt sagen, was ihr wollt, sie hatte völlig Recht.«
    Owen hätte eine derartige Geschichte niemals erzählen können. Sie hätte ihn zum Gespött gemacht. Und davon hatte er durch die Umstände seiner Geburt schon genug gehabt. Die Leichtigkeit, mit der sie Geschichten dieser Art teilten, zeigte, dass sie eine innere Sicherheit kannten, von der er nur träumen konnte.
    Ist es dieser Ort, der solche Männer hervorbringt, oder ist es die Freiheit, die sie ermutigt? Er schrieb die Frage nieder. Lange starrte er auf die leere Seite darunter und schaffte es nicht, eine zufriedenstellende Antwort zu formulieren.

     
    Drei Wochen nach dem Aufbruch aus Hutmacherburg paddelten sie im Abendrot

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