Krieg der Klone 02 - Geisterbrigaden
befinden uns am Boden.«
»Bäume!«, sagte Seaborg unvermittelt.
»Woran denkst du, Seaborg?«, fragte Sagan.
»In der Ausbildung haben Dirac und ich ein Kriegsspiel gewonnen, weil wir uns in den Bäumen an die gegnerische Seite angeschlichen haben. Die Leute haben die ganze Zeit darauf gewartet, dass wir am Boden angreifen. Sie haben kein einziges Mal nach oben geblickt, bis wir genau über ihnen waren. Dann wäre ich fast vom Baum gefallen und beinahe zu Tode gekommen. Aber die Idee hat funktioniert.«
Die drei wandten sich den Bäumen zu, die in ihrer Gefängniszone wuchsen. Es waren keine Bäume wie von der Erde, sondern die lokale Entsprechung: schlanke Stämme, nur ein paar Meter hoch.
»Sag mir, dass wir alle den gleichen völlig bescheuerten Gedanken haben«, sagte Harvey. »Denn ich stelle mir nur sehr ungern vor, dass ich der Einzige bin.«
»Kommt«, sagte Sagan. »Schauen wir mal, was wir damit machen können.«
»Das ist verrückt«, sagte Jared. »Die Obin fangen doch keinen Krieg an, nur weil du sie dazu aufforderst.«
»Wirklich nicht?«, erwiderte Boutin, und ein spöttisches Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. »Beruht diese Einschätzung auf deinem umfangreichen Wissen, das du aus erster Hand über die Obin gesammelt hast? Weißt du es, weil du die Sache jahrelang gründlich studiert hast? Weil du eine Doktorarbeit über die Obin geschrieben hast?«
»Keine Spezies würde in einen Krieg ziehen, nur weil man sie darum bittet. Und die Obin tun nie etwas für jemand anderen.«
»Und das tun sie auch jetzt nicht. Der Krieg ist ein Mittel zum Zweck – sie wollen etwas haben, was ich ihnen bieten kann.«
»Und was wäre das?«, fragte Jared.
»Seelen«, sagte Boutin.
»Das verstehe ich nicht.«
»Weil du die Obin nicht kennst. Sie sind eine künstlich erschaffene Spezies – die Consu haben sie gemacht, nur um zu sehen, was passiert. Aber trotz anders lautender Gerüchte sind die Consu keineswegs vollkommen. Sie machen Fehler. Und sie haben einen gewaltigen Fehler gemacht, als sie die Obin geschaffen haben. Sie haben den Obin Intelligenz verliehen, aber was sie ihnen nicht geben konnten – wozu sie gar nicht die Fähigkeit besitzen – ist Bewusstsein .«
»Natürlich haben die Obin Bewusstsein. Sie haben eine Gesellschaft. Sie kommunizieren. Sie erinnern sich. Sie denken .«
»Na und?«, sagte Boutin. »Auch Termiten bilden Gesellschaften. Jede Spezies kann kommunizieren. Man muss nicht intelligent sein, um sich zu erinnern – du hast einen Computer im Kopf, der sich an alles erinnert, was du jemals getan hast, und grundsätzlich ist er nicht intelligenter als ein Stein. Und was das Denken betrifft – warum soll es für das Denken nötig sein, dabei festzustellen, dass man selbst es tut? Bewusstsein ist dazu völlig unnötig. Man kann eine raumfahrende Spezies erschaffen, die nicht mehr Selbstreflexion hat als eine Bakterie, und die Obin sind der lebende Beweis für diese Tatsache. Die Obin sind sich kollektiv bewusst, dass sie existieren. Aber sie haben keine individuelle Persönlichkeit. Sie haben kein Ich.«
»Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Warum nicht? Wie sehen die Anzeichen für ein Ichbewusstsein aus? Lassen Sie sich bei den Obin beobachten? Die Obin haben keine Kunst , Jared. Sie kennen keine Musik oder Literatur oder sonstige künstlerischen Ausdrucksformen. Sie verstehen theoretisch , was Kunst ist, aber sie sind nicht in der Lage, sie zu genießen. Sie kommunizieren nur miteinander, wenn sie sich Tatsachen mitzuteilen haben – wohin sie gehen oder was hinter dem Hügel liegt oder wie viele Personen sie töten müssen. Sie können nicht lügen. Sie haben keine moralischen Grundsätze, die es ihnen verbieten würden – im Grunde haben sie überhaupt keine moralischen Grundsätze oder Verbote -, aber sie können genauso wenig eine Lüge formulieren, wie du oder ich ein Objekt mit reiner Gedankenkraft bewegen können. Unsere Gehirne sind einfach nicht dafür geschaffen, und ihre Gehirne sind zu anderen Dingen nicht in der Lage. Jeder andere lügt. Jeder, der Bewusstsein hat, jeder, der ein Bild von sich selbst vermitteln möchte. Aber die Obin tun das nicht. Sie sind vollkommen.«
»Sich seiner eigenen Existenz nicht bewusst zu sein würde ich nicht unbedingt als ›vollkommen‹ bezeichnen.«
»Aber sie sind perfekt«, bekräftigte Boutin. »Sie lügen nicht. Sie kooperieren perfekt miteinander, innerhalb der Strukturen ihrer Gesellschaft. Konflikte und
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