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Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Titel: Krieg der Seelen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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Mutter als auch ihre eigenen betrachtet. Schon damals, als sie noch klein gewesen war, kaum halb so groß wie ihre Mutter, fiel ihr auf, dass die Zeichen ihrer Mutter, so interessant sie auch sein mochten, nicht an die Komplexität und Schönheit der eigenen heranreichten. Sie nahm es zur Kenntnis, brachte es aber nicht zur Sprache, weil sie Mitleid mit ihrer Mutter hatte. Vielleicht, dachte sie damals, konnte auch ihre Mutter eines Tages so schön intagliert sein wie sie selbst. Lededje beschloss, reich und berühmt zu werden, um ihrer Mutter genug Geld geben zu können, damit dies alles wahr wurde. Dadurch fühlte sie sich sehr erwachsen.
    Die anderen kleinen Kinder auf dem Anwesen schienen ihr mit Ehrfurcht zu begegnen. Bei ihnen allen waren die Farben gemischt; viele von ihnen hatten blasse, bleiche Haut. Lededje hingegen war rein. Zudem trugen die anderen Kinder keine Zeichen. Sie konnten sich keiner Muster auf ihrer Haut oder woanders rühmen, verborgen oder nicht, Muster, die langsam wuchsen, allmählich reiften, sich auf subtile Weise veränderten und immer komplizierter wurden. Die anderen Kinder fügten sich ihr, stellten ihre Wünsche über die eigenen und verehrten sie praktisch. Lededje war ihre Prinzessin, ihre Königin, fast ihre angebetete Göttin.
    Doch das änderte sich nach und nach. Vielleicht hatte ihre Mutter allen Einfluss, über den sie verfügte, geltend gemacht, um ihr eines Kind so lange wie möglich vor der erniedrigenden Wahrheit zu schützen, vermutlich zum Nachteil ihres eigenen Ansehens innerhalb des Haushalts.
    Denn die Wahrheit lautete: Die Intaglierten waren mehr als nur menschliche Exotika. Sie waren gleichzeitig mehr und weniger als extravagante Zierde für den Haushalt und das Gefolge der Reichen und Mächtigen. Bei wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen und in den Salons der ökonomischen und politischen Macht wurden sie zur Schau gestellt wie wandelnder, lebender Schmuck– obwohl sie zweifellos auch das waren.
    Sie stellten Trophäen dar, die Fahnen besiegter Feinde, die vom Unterlegenen unterzeichneten Kapitulationsdokumente, die Köpfe von gefährlichen Tieren an den Wänden des Jägers.
    Intaglierte wiesen mit ihrer Existenz auf den Fall ihrer Familien hin, auf Schande und Scham von Eltern und Großeltern. So gezeichnet zu sein bedeutete, Zeugnis abzulegen von vererbter Schuld, und die Existenz des Intaglierten lief auf eine teilweise Zurückzahlung dieser Schuld hinaus.
    Es war ein Merkmal des sichultianischen Rechts, übernommen von der besonderen Nation-Kaste, die vor zweihundert Jahren siegreich aus dem Kampf um Dominanz in dem sich bildenden Weltstaat hervorgegangen war: Wenn eine kommerzielle Schuld nicht ganz beglichen werden konnte, oder wenn die Bedingungen eines Vertrages von einer Seite wegen mangelnder Mittel oder Leistungen nicht erfüllt wurden, so konnte die andere Seite Ausgleich fordern, der darin bestand, ein oder zwei Generationen der Nachkommenschaft des Schuldners zu Intaglierten zu machen und zumindest einige der Kinder und Enkel– meistens nicht für ihr ganzes Leben– der Obhut, Kontrolle und auch dem Besitz des Gläubigers zu überantworten.
    Als die Sichultianer nach dem ersten Kontakt mit einer Spezies namens Flekke der galaktischen Gemeinschaft begegneten, beharrten sie empört darauf, dass ihre Reichen und Mächtigen die eigenen Kinder ebenso liebten wie die Reichen und Mächtigen jedes anderen einigermaßen zivilisierten Volkes die ihren. Sie betonten, dass sie nur besonderen Respekt vor den Buchstaben des Gesetzes und der Ehre bei der Rückzahlung von Schulden hatten, und dass man ihnen keinesfalls Missachtung der Rechte von Minderjährigen zur Last legen könne, oder von Personen, die ansonsten unschuldig und nur durch ihr Erbe verschuldet seien.
    Sie wiesen darauf hin, dass ein ganzes Netz strikt angewandter Gesetze die Rechte und das Wohlergehen der Intaglierten schützte und sicherstellte, dass sie von jenen, die praktisch ihre Besitzer waren, nicht vernachlässigt oder gar misshandelt wurden. Die Sichultianer behaupteten, dass die Träger der Zeichen in gewisser Weise zu den Privilegierten ihres Volkes zählten, weil sie in Luxus aufwuchsen, ständig Kontakt mit der Creme der Gesellschaft hatten, an allen wichtigen Ereignissen und offiziellen Empfängen teilnahmen und nie arbeiten mussten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die meisten Leute, so hieß es, seien liebend gern bereit, ihre sogenannte Freiheit aufzugeben, um ein

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