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Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Titel: Krieg der Seelen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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Weg gegangen zu sein, während sie überlegt hatte, dass es… Zeit wurde zu fliehen.
    Hmm, dachte sie. Interessant. War so etwas geschehen? Hatte sie schließlich eine praktisch vepperssichere Methode der Flucht vor dem verdammten Mistkerl, seinem Geld und seiner Macht gefunden, und zwar mithilfe dieser Verschränkungssache? Doch es blieb die Frage: Wo befand sich ihr reales Selbst? Und überhaupt, warum erinnerte sie sich an so wenig, und was hatte es mit dem » Trauma« auf sich, das Sensia immer wieder erwähnte?
    Sie trank ihr Glas aus und saß gerade. » Erzählen Sie mir alles«, verlangte sie.
    Sensia sah sie besorgt und voller Mitgefühl an. » Lededje…«, begann sie langsam und vorsichtig. » Halten Sie sich für eine… psychisch starke Person?«
    Oh, Scheiße, dachte Lededje.
    Als sie sehr jung gewesen war, hatte es eine Zeit gegeben, an die sie sich noch erinnerte und in der sie das Gefühl gehabt hatte, geliebt zu werden und privilegiert zu sein, etwas Besonderes. Es war mehr gewesen als das gewöhnliche Gefühl gesegneter Andersartigkeit, das gute Eltern ihren Kindern vermittelten. Das war das eine, das Gefühl, im Mittelpunkt bedingungsloser Aufmerksamkeit und Fürsorge zu stehen, doch für eine Weile war sie gerade reif genug gewesen, um zu erkennen: Sie hatte das Glück, sogar noch mehr zu haben. Zunächst einmal lebte sie in einem großen, schönen Haus, auf einem ausgedehnten ländlichen Anwesen, das nicht nur herrlich war, sondern auch einzigartig. Außerdem unterschied sie sich von den anderen Kindern, wie sich auch ihre Mutter von den anderen Erwachsenen im großen Haushalt unterschied.
    Sie hatte als Intaglierte das Licht der Welt erblickt. Zweifellos war sie ein Mensch und eine Sichultianerin (man lernte früh, dass es auch andere Arten von Menschen gab, doch es wurde allgemein angenommen, dass Sichultianer die besten Menschen waren), aber auch mehr als eine gewöhnliche Sichultianerin: eine Intaglierte, jemand, deren Haut, deren ganzer Körper mit allen inneren Organen anders war.
    Intaglierte sahen nur als Silhouette wie gewöhnliche Leute aus, oder in so schlechtem Licht, dass man sie kaum sehen konnte. Wenn man eine Lampe einschaltete oder mit ihnen ins Sonnenlicht trat, zeigten sie sich sofort als die fabelhaften Geschöpfe, die sie waren. Sogenannte kongenitale Tätowierungen bedeckten einen Intaglierten von Kopf bis Fuß. Lededje war tätowiert zur Welt gekommen. Mit überaus komplexen Mustern, unauslöschlich in die Zellstruktur ihrer Haut geprägt und in die des ganzen Körpers, war sie aus dem Schoß ihrer Mutter geschlüpft.
    Ein richtiger, vom sichultianischen Rechts- und Verwaltungssystem anerkannter Vertraglicher Intaglierter wurde mit nebelweißer Haut geboren, damit man die klassischen tintenschwarzen Muster besser erkennen konnte. Die Zähne wiesen ähnliche Verzierungen auf, und sie zeigten sich auch im Weiß der Augen, in den durchsichtigen Fingernägeln und dem Fleisch darunter. Die Poren der Haut waren auf eine bestimmte, nicht dem Zufall überlassene Art und Weise angeordnet, und selbst die Kapillargefäße bildeten sorgfältig geplante Strukturen. Bei einem obduzierten Intaglierten hätte man ähnliche Muster an den Außenseiten der inneren Organe gefunden– das Design ging bis in die Eingeweide, war wie auf die Knochen gestempelt und setzte sich in ihrem Innern fort, im Knochenmark und seinen Zellen. Auf jeder Ebene seiner Existenz trug der Intaglierte die Zeichen, die ihn von allen anderen unterschieden, auch von jenen, die sich aus freiem Willen mit vergleichbaren Mustern schmückten.
    Im Lauf des letzten Jahrhunderts waren immer mehr Intaglierte mit fast nachtschwarzer statt weißer Haut geboren worden, mit noch exotischeren und eindrucksvolleren Mustern. Manche von ihnen schillerten und schimmerten oder fluoreszierten und glänzten wie Quecksilber– schwarze Haut brachte so etwas besser zur Geltung. Lededje zählte zu diesen noch extravaganter markierten Geschöpfen, zur Elite der Elite, wie sie damals zunächst gedacht hatte.
    Ihre Mutter, die auf einer viel helleren Haut ihre eigenen Zeichen trug– wenn auch aus konventioneller Tinte–, hatte sich um Lededje gekümmert und ihr das Gefühl gegeben, dass es schön war und ein Grund zur Freude, auf diese Weise etwas Besonderes zu sein. Als Mädchen war Lededje stolz darauf gewesen, noch fabelhaftere Tätowierungen zu haben als ihre Mutter, und mit großer Faszination hatte sie immer wieder die Muster ihrer

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