Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
Tonfall. » Aber es sieht ungefähr so aus.« Was auch immer er mit dem Bild machte, Lededje war plötzlich dankbar, dass sie saß. Das Bild schien sich in Tausende oder gar Millionen von einzelnen Stücken aufzuteilen, die wie Schneeflocken in einem Sturm an ihr vorbeiflogen. Sie blinzelte und wandte desorientiert den Blick ab.
» Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Himerance besorgt. » Es kann eine recht… intensive Erfahrung sein.«
» Es geht mir gut«, erwiderte Lededje. » Was war das?«
» Ein besonders guter stellarer Feldliner: Geschöpfe, die in den Linien magnetischer Kraftfelder leben, in den Photosphären der meisten Sonnen.«
» Das Ding war lebendig?«
» Ja. Und ich nehme an, es lebt noch immer. Feldliner leben ziemlich lange.«
Lededje musterte den alten Mann, dessen Gesicht Licht von einem Wesen empfing, das fast nur aus schwarzen Linien bestand und auf der Oberfläche einer Sonne lebte. » Können Sie in 4D sehen?«
» Ja«, sagte Himerance und erwiderte ihren Blick. Er klang stolz und zugleich scheu. Mit glühendem Gesicht und aus allen Poren strömendem Enthusiasmus sah er plötzlich wie ein Sechsjähriger aus.
» Wie ist das möglich?«, fragte Lededje.
» Es ist möglich, weil ich kein richtiger Mensch bin, nicht einmal menschlich«, entgegnete Himerance und lächelte noch immer. » Ich bin der Avatar eines Schiffes. Eigentlich sprechen Sie mit dem Schiff, und es ist das Schiff, das Bilder in 4D betrachten und bewundern kann. Der Name des Schiffes– mein wahrer Name– lautet: Meine Wenigkeit, ich zähle. Einst war ich ganz und gar Teil der Kultur, doch jetzt bin ich ein unabhängiges Schiff und gehöre zu etwas, das man gelegentlich › die Anderweitigen‹ nennt. Ich bin ein Wanderer, ein Forscher, wenn Sie so wollen, und gelegentlich finde ich Gefallen daran, meine Dienste als kultureller Übersetzer– als Vermittler zwischen sehr unterschiedlichen Spezies und Zivilisationen– all jenen anzubieten, die sie gebrauchen können. Außerdem sammle ich Bilder von besonders exquisiten Lebewesen, denen ich bei meinen Reisen begegne.«
» Könnten Sie ein solches Bild nicht ohne mein Wissen aufnehmen?«
» Durchaus. Nichts wäre einfacher als das.«
» Aber Sie wollten vorher um Erlaubnis fragen.«
» Es wäre unhöflich und unehrenhaft, auf eine solche Frage zu verzichten, finden Sie nicht?«
Lededje musterte den Mann. » Da haben Sie vermutlich recht«, erwiderte sie nach kurzem Zögern. » Würden Sie das Bild mit anderen… Leuten teilen? Bekäme jemand anders Gelegenheit, es zu betrachten?«
» Nein. Bis eben, als ich Ihnen den Feldliner gezeigt habe, hat niemand eins meiner Bilder gesehen. Es befinden sich noch viele weitere in meinem Besitz. Möchten Sie…?«
» Nein«, sagte Lededje, lächelte und hob die Hand. » Das eine genügt mir.« Das Bild verschwand, und es wurde wieder dunkler im Zimmer.
» Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich Sie, sollte ich Ihr Bild jemals jemandem zeigen wollen, was ich für sehr unwahrscheinlich halte, vorher um Erlaubnis fragen werde.«
» In jedem einzelnen Fall?«
» In jedem einzelnen Fall. Und die gleichen Bedingungen gelten für…«
» …die Aufnahme. Spüre ich etwas dabei?«
» Nein, nichts.«
» Hm.« Lededje hatte noch immer die Arme um die Schienbeine geschlungen, senkte den Kopf zu den Knien, streckte die Zunge aus und berührte mit ihr den weichen Stoff ihres Nachthemds. Sie biss hinein, nahm etwas davon in den Mund.
Himerance beobachtete sie einige Sekunden lang. » Lededje, geben Sie mir die Erlaubnis, ein Bild von Ihnen anzufertigen?«
Sie spuckte den Stoff aus und hob den Kopf. » Ich frage noch einmal: Was springt für mich dabei heraus?«
» Was könnte ich Ihnen anbieten?«
» Holen Sie mich hier raus. Nehmen Sie mich mit. Verhelfen Sie mir zur Flucht. Retten Sie mich aus diesem Leben.«
» Das kann ich nicht, Lededje, es tut mir sehr leid«, sagte Himerance in einem bedauernden Ton.
» Warum nicht?«
» Es gäbe Konsequenzen.«
Sie ließ erneut den Kopf hängen und sah zum Teppich vor den Fenstern.
» Weil Veppers der reichste Mann der Welt ist?«
» Im ganzen sichultianischen Enablement. Und auch der mächtigste.« Himerance seufzte. » Dem, was ich tun kann, sind ohnehin Grenzen gesetzt. Sie haben hier Ihre eigene Lebensweise, auf dieser Welt und in der Hegemonie, die Sie Enablement nennen. Sie haben Ihre eigenen Regeln, Sitten, Bräuche und Gesetze. Es gilt als unfein, sich ohne guten Grund und
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