Krieg im Himmel
der Warewolf das Verlies öffnete, bin ich ihm einfach zwischen die Beine gerannt«, antwortete Merle.
»So einfach?«, fragte ich zurück.
»Jede Sekunde, die ich in diesem Loch zubrachte, war eine Vorbereitung auf diesen Moment«, erklärte er.
Das Problem war, dass wir keine Zeit gehabt hatten, mehr darüber herauszufinden, was mit den Vucari los war, warum sie so gehandelt hatten. Wir hatten Gott aufgefordert, unsere Informationen zur Erde zu schicken, aber das war im Moment auch alles, was wir tun konnten. Dann waren wir so schnell wie möglich mit der Tetsuo Chou aufgebrochen. Aber wenn das der Eröffnungszug für den Angriff auf der Erde gewesen war, konnte es durchaus sein, dass wir in der Überlichtnacht die Kolonialflotte von Lalande passierten.
Merle hatte recht, wie ich zugeben musste. Irgendwann redet jeder, und statt irgendwann konnte es auch sehr schnell geschehen, wenn sie Senso-Verhörtechniken benutzten, weil sich damit die Zeit dehnen ließ. Selbst in diesem Fall blieb uns noch eine gewisse Frist. Falls Demiurg tatsächlich eine Besessenheit bewirken konnte, blieb uns keine Zeit mehr. Wenn jemand geschnappt wurde, waren wir erledigt. Was bedeutete, dass niemand nach Hause ging, sondern wir einfach nur wegrannten. Also mussten wir dafür sorgen, dass niemand gefangen genommen wurde. Das lief auf eine Selbstmordlösung hinaus, einen Notausschalter eines Feuersturmprogramms für unser internes elektronisches Gedächtnis. Doch viel wichtiger war, dass wir darauf vorbereitet sein mussten, uns gegenseitig zu töten, wenn wir bemerkten, dass jemand verloren war – sofern wir die Gelegenheit dazu hatten. Der Kampf gegen SIE war hart, aber nicht so kompliziert. Ich sehnte mich nach IHRER Einfachheit zurück.
Was die Sicherheit betraf, hatte sich die Lage ein wenig entspannt, weil wir jetzt unabhängig waren. Wir würden Gott weitestgehend aus der Planung heraushalten, aber selbst er konnte niemandem etwas verraten, und er würde nie versuchen, mit einem von Demiurg infizierten System zu kommunizieren. Nuiko würden wir sagen, was sie für ihren Teil der Mission wissen musste, aber auch nicht mehr. Was sowohl in unserem als auch in ihrem Interesse war. Doch nachdem ich mit dem Heiden gesprochen hatte, glaubte ich, dass sie eher mit der Tetsuo Chou ins Herz einer Sonne fliegen würde, als sich der Schwarzen Schwadron auszuliefern.
Mein Problem mit Nuiko war, dass sie neu war und ich sie nicht verstand. Merle vertraute ich nicht, aber damit konnte ich umgehen. Trotz seines Verhaltens war er nicht Millionen Kilometer von uns entfernt. Doch Nuikos Reserviertheit war etwa hundertmal extremer als bei einem durchschnittlichen Engländer. Sie war zurückhaltend und respektierte unsere Privatsphäre, obwohl wir buchstäblich Gäste in ihrer Welt waren. Ihr Verhalten wirkte oftmals recht rituell – die Vergangenheit, falls es eine reale Vergangenheit war, schien ihr sehr wichtig zu sein. Auf mich machte sie den Eindruck, dass sie darum kämpfte, etwas am Leben zu erhalten. Etwas, das ich nicht verstand. Dass sie eine Chimäre war, machte es für mich vermutlich nicht leichter. Praktisch versuchte ich, ein Verhältnis zu einer Maschine zu entwickeln. Sie kam mir einfach nur so … fremdartig vor.
Dann zog sie sich zurück. Ich beobachtete den Heiden, der sie beobachtete, wie sie mit Trippelschritten zu einer Schiebetür aus Holz und Papier ging und diese hinter sich zuzog. Damit symbolisierte sie, dass sie das geschlossene System verließ. In der realen Welt saßen wir uns alle im Schneidersitz auf Kisten gegenüber und waren in einen Speicherwürfel eingeklinkt. Nuiko war über eine Kabelschlange angeschlossen, die sich nun in den gesicherten Kokon zurückzog, der unsere Pilotin schützte. Der Speicherwürfel enthielt eine Download-Kopie des virtuellen Teehauses. Ebenfalls ein Geschenk von Nuiko. Die vielen Geschenke machten mich nervös, aber ich kümmerte mich nicht weiter um den Aspekt der Informationssicherheit bei dieser Mission.
Der Heide und Morag überprüften noch einmal die Sicherheit. Glyphen aus Licht erschienen vor ihnen und warfen Schatten auf die Züge ihrer Avatare. Ich nutzte die Gelegenheit, um aufzustehen und zur Veranda aus Holz hinüberzugehen. Von dort konnte man auf einen Ziergarten mit Stein- und Wasserelementen hinausblicken. Hinter dem Garten erhob sich die atemberaubende Berglandschaft. Das Teehaus war Teil eines burgartigen Komplexes, der hoch oben an einer Bergflanke errichtet
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