Krieg im Himmel
verschmolzen zu sein. Es war ihm in den Mund, die Nasenlöcher, die Nackenanschlüsse und die Ohren gedrungen. Der größte Teil seines Körpers steckte tief in der Masse. Falls es hier Piloten gab, vermutete ich, dass etwas Ähnliches mit ihnen geschehen war.
Nicht nur Camp 12, sondern auch die anderen Freetowns und Asteroidenstädte hatten ähnliche Angriffe erlitten. In allen Fällen waren es zurückgekehrte Gruppen der Spezialeinheiten gewesen, die im Territorium, das von der Schwarzen Schwadron gehalten wurde, Zerstörungen anrichten und Informationen sammeln sollten. Alle waren von Demiurg unterstützt worden.
Einige der anderen Freetown Camps hatten nicht so viel Glück wie 12 gehabt. Über ein Dutzend war »gesäubert« worden, wie es die BPIC ausdrückte. Genauso wie Hygeia. Ich hatte keine Ahnung, warum Gott nicht in der Lage gewesen war, Demiurg in einer so großen Stadt aufzuhalten. Vielleicht hatte Rolleston größere Schiffe geschickt, damit Demiurg auf genügend Kapazitäten zurückgreifen konnte. Insgesamt waren über zweihunderttausend Menschen bei der anschließenden Plasmabombardierung durch die BPIC und die Patrouillenschiffe ums Leben gekommen. Zweihunderttausend. Das war nur eine Zahl. Eine Zahl, die in flüssigem Feuer zerschmolzen war, um im Weltraum zu verbrennen und dann im Vakuum abzukühlen. Ich konnte mir kein Bild von all diesen Körpern machen, die in die kalte Nacht hinausgerissen wurden. Die Zahl war so abstrakt, dass ich mich anstrengte, die Wut zu empfinden, die ich empfinden sollte.
Einerseits hatte sich die Schwarze Schwadron nun die BPIC zum Feind gemacht, doch gleichzeitig hatte sie es geschafft, die logistische Infrastruktur des Asteroidenbergbaus schwer zu beschädigen. Dadurch sollte natürlich die Erde von den Rohstofflieferungen abgeschnitten werden. Was wir uns nicht erklären konnten, war der Grund, warum all diese Leute die Seite gewechselt hatten. Warum waren die Vucari zu Rolleston übergelaufen? Die nächstliegende Erklärung war, dass man sie versklavt hatte. In diesem Fall konnte es jedoch nur eine höher entwickelte Form der Versklavung sein, weil sie keine Sklavenstecker im Nacken getragen hatten und ihre Leistung nicht beeinträchtigt war, wie es bei Slaveware üblich war.
Nachdem der rituelle Teil der Teezeremonie vorbei war und wir wieder ein normales Gespräch führen konnten, war Mudge eine Idee gekommen: Gehirnwäsche. Dann hatte er es genauer erklärt. Man wurde mit psychologischen Mitteln gezwungen, das zu tun, was einem gesagt wurde. In der Armee hatten wir dasselbe als Grundausbildung bezeichnet. Doch der Heide hatte darauf hingewiesen, dass sie nie so umfassend und effektiv war wie das, was wir bei den Vucari erlebt hatten.
»Besessenheit?«, fragte ich, als Nuiko Tee aus einem eisernen Kessel in einem Loch im Boden schöpfte. Auch das Servieren des Tees schien eine komplizierte Angelegenheit zu sein. Nuiko war klein, schlank und blass und trug einen schlichten schwarzen Kimono. Ihre Züge waren eine beherrschte, ausdruckslose Maske. Das fand ich ein wenig irritierend. Genauso wenig gefiel mir, dass sie nie meinen Blick erwiderte, obwohl ich meinen besten Sonntagsavatar angelegt hatte, den Morag für mich entworfen hatte. Der mit meinen natürlichen Augen – beziehungsweise den Augen, wie sie nach Morags Vorstellung aussehen sollten.
»Und das von jemandem ohne Glauben«, spöttelte der Heide. Er trug seinen Druidenavatar, obwohl auch er einen Kimono angezogen hatte, wie wir alle. Die Kimonos waren eine Gabe von Nuiko an uns, ein Code, der gründlich von Morag und dem Heiden untersucht worden war, bevor sie ihn in unsere Nähe gelassen hatten.
»So etwas geschieht«, sagte Morag. Vermutlich ärgerte sie sich, dass sie sich auf meine Seite stellen musste. Auch sie trug einen Kimono, und ich hatte erleichtert bemerkt, dass sie aus Respekt vor unserer Gastgeberin in ihrem Blumenmädchen-Avatar und nicht als Schwarze Annis auftrat. Ich mochte den Annis-Avatar nicht, und ich wollte dieser Gestalt nicht begegnen, solange Morag noch sauer auf mich war. Dabei fiel mir ein, dass Morag mich hier drinnen mühelos töten konnte. Ich machte mir leichte Sorgen, ob der Tee vielleicht den Code eines Biofeedback-Gifts enthielt. Trotzdem schmeckte er nett, als uns endlich erlaubt wurde, davon zu kosten, und wir lange genug geschwiegen hatten.
»Davon habe ich gehört«, sagte der Heide und lächelte herablassend. »Ist es mit jemandem geschehen, der dir bekannt
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