Krieg im Himmel
Schultern und trank von seinem Bier, aber er wollte mich immer noch nicht ansehen.
»Mudge, du gehst mir ganz schön auf den Sack …«
»Willst du wirklich mit mir über deinen Sack reden?«, sagte er grinsend.
Mir wurde klar, dass ich mich ungeschickt ausgedrückt hatte. »Ich meine, manchmal ist es verdammt schwer, dein Kumpel zu sein.«
Er sah mich an. Sein Gesicht nahm rund um die Kameraaugen einen wütenden Ausdruck an. »Jakob, du scheinheiliges Arschloch! Glaubst du etwa, es sei einfach, dein Kumpel zu sein? Ständig das verdammte Gejammer, das Händeringen, die Moralpredigten, die verdammten Urteilssprüche …«
Ich lehnte mich auf dem Bett zurück. Ich versuchte, nicht persönlich zu nehmen, was er sagte. Es gab offenbar etwas, das er sich von der Seele reden musste, und wir befanden uns jetzt in der Um-sich-schlagen-Phase.
»Ich meine, versuch doch einfach mal, ein bisschen zu leben. Es mag eine beschissene Welt sein, aber nimm von ihr an, was sie dir gibt.« Er wurde allmählich leiser, und am Ende wandte er wieder den Blick von mir ab.
»Was ich an dir mag, ist, dass du immer die Wahrheit sagst. Deshalb haben wir dich nicht gründlich abgeklopft und dich in der Gosse zurückgelassen, als wir dich wiedergefunden haben. Fang jetzt nicht an zu lügen. Und belüg dich nicht selber.« Ich nahm mir ein neues Bier und beobachtete ihn.
»Ich weiß nicht«, sagte er schließlich. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
»Bist du auf einem Selbstmordtrip?«, fragte ich.
Er brauchte sehr lange für eine Antwort. Falls meine Vermutung stimmte, durfte ich nicht zulassen, dass er uns alle in den Tod mitnahm.
»Nicht mehr als sonst auch, glaube ich. Mein Körper ist ein Vergnügungspark, und man muss Risiken eingehen. Andernfalls könnten wir genauso gut in einer Blase leben, wie die alten Jungs aus der Clique.«
»Und?«, hakte ich nach.
Wieder dachte er gründlich nach. »Denkst du manchmal an die Dinge, die wir getan haben?«, fragte er dann.
»Ich habe das Gefühl, dass ich fast nur reagiere.«
»Ich habe als Kriegsreporter angefangen, dann war ich in eurem Kommandotrupp, und schließlich fungierte ich als Pressesprecher Gottes im systemweiten Viz und Netcasting …« Geistesabwesend nahm er einen Schluck Bier.
»Gut, wenn du es so formulierst, klingt es ziemlich heftig, aber es war doch genau das, was du wolltest, oder?«
Er sah mich wieder an. »Wie soll ich das noch toppen?«, fragte er.
»Du musst nichts toppen«, sagte er.
Jetzt kam er mir wie ein Junkie vor, der nach dem nächsten Schuss suchte. »Wenn ich daran denke, was ich getan habe, wie ich gelebt habe … wie soll ich jetzt noch zu einem normalen Leben zurückkehren, was auch immer das sein soll? Ich meine, wir haben einfach getan, was wir wollten.«
So hatte es sich für mich nicht angefühlt.
»Jetzt klingst du wie Balor.«
»Nein, es ist etwas anderes. Er wollte, dass man sich an ihn erinnert. Er hielt sich für irgendeinen antiken Helden, vielleicht auch für einen Schurken. Ich will einfach nur spüren. Ich brauche Empfindungen, aber ich glaube, wir haben den Einsatz bei diesem Spiel so weit in die Höhe getrieben, dass ich nicht mehr …«
»Dass du eine immer höhere Dosis brauchst?«
Er wandte den Blick ab. »Vielleicht. Ich will nicht sterben, aber ein Leben ohne Empfindungen ist für mich wie der Tod.«
Ich bemühte mich, meine Verachtung nicht zu zeigen. Mir war schon immer klar gewesen, dass Mudge jemand aus der Mittelklasse war, der den Nervenkitzel suchte. Im SAS hatte ich viele Abenteuerlustige getroffen, und fast alle Offiziere waren so. Was ich an Mudges Einstellung nicht nachvollziehen konnte, war das Missverhältnis. Er war jemand, der so gelangweilt war, dass er es aus Spaß an der Freude machte. Der Rest unserer Gruppe musste ständig kämpfen, weil wir davon lebten. Nur mein Wissen, dass er ein Mensch mit Moral war, hielt mich davon ab, mit ihm darüber zu reden. Das und was er über die Urteilssprüche gesagt hatte.
»Du kannst dem ruhigen Leben nichts abgewinnen? Vielleicht solltest du dich einfach mal entspannen und tief durchatmen, falls wir diese Aktion überleben.«
»Nein. Das will ich genauso wenig wie du.«
»Du wärst erstaunt«, erklärte ich ihm.
»Siehst du, genau deswegen bin ich so sauer auf dich. Du belügst dich selbst. Du bist kein bisschen anders. Dein Urlaub endete damit, dass du in einer Polizeizelle zusammengeschlagen wurdest. Und wo bist du jetzt? Wieder in unserer alten
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