Krieg im Himmel
gegenüber empfinden musste.
»Ogham kam zu mir«, begann der Heide. Er hatte mir einmal erzählt, dass Ogham der keltische Gott des Schreibens und Brauens war. Der Heide identifizierte sich mit ihm als jemand, der Codes schrieb. »Er sagte mir, dass Jakob an Demiurg übergeben werden soll.«
»Warum?«, fragte ich.
»Ich weiß es nicht.«
»Aber du Arschloch hast es trotzdem getan?«, brüllte ich und verspürte das Bedürfnis, mich bei Salem für meine unfeine Sprache zu entschuldigen.
»Lass ihn antworten«, sagte Morag mit kalter Stimme zu mir.
»Es hatte etwas mit Pais Badarn Beisrydd zu tun.«
»Das ist doch alles völliger Blödsinn!«, regte ich mich auf.
»Nein, das ist es auf gar keinen Fall«, sagte Heckschütze. »Mirus Aalnetz.«
Der Heide nickte.
»Es sind keine simplen Visionen mehr«, sagte Salem. »Wir sehen nicht nur Dinge im Netz, die uns sehr real erscheinen, ohne dass sie eine konkrete Basis haben. Jetzt bekommen wir es mit Artefakten zu tun, Programmen und Codes, die viel weiter entwickelt sind als das, wozu wir imstande sind, die uns vielleicht vier oder fünf Generationen voraus sind. Besser als die besten Konzern- und Militärprogramme. Ich habe einen Dschinn im Netz gesehen. Sie sagte mir, dass ich zu dir kommen soll.«
»Ein Dschinn?«, fragte der Heide. »Ich dachte, alle Dschinns wären böse.«
»Sie sind wie Menschen – manche sind gut, und manche sind schlecht. Sie sagte mir, dass wir den Engeln nicht mehr vertrauen können.«
Es ging schon wieder los. Nachdem wir alles getan hatten, um uns aus der Beeinflussung durch die Clique und ihresgleichen zu befreien, tanzten wir erneut nach der Pfeife von irgendjemandem oder irgendetwas.
»Was sind sie also?«, fragte ich.
»Jedenfalls sind sie keine Ausgeburten unserer Fantasie«, knurrte Heckschütze.
»Und sie sind auch keine Fragmente von Gott«, sagte Salem, worauf Heckschütze und der Heide ihm einen strengen Blick zuwarfen. »Mein Glaube basiert nicht auf dem Netz. Es sind Kopien, keine Geistwesen. Auch wenn diese Kopien sich vielleicht Gottes Willen beugen.«
»Womit nur noch hochentwickelte KI s oder Aliens übrig bleiben«, sagte ich, was den anderen gar nicht zu gefallen schien. Ich sah den Heiden an. »Ich frage noch einmal: warum?«
»Oghams Worte deuteten darauf hin: Er wusste, dass du herauskommen würdest, dass du wieder du selbst sein würdest. Ich glaube, das war der Grund, warum Nuada den Käfig …«
»Es war Nuada, der mich gefangen gehalten hat?« Wieder wurde ich wütend. Es war Nuada, der mich hatte hören lassen, wie ich selbst meine Freunde folterte.
Der Heide blickte zu mir auf. »Er hat dich beschützt. Er hat einen Teil von dir, den wichtigsten Teil, weggesperrt, damit Demiurg nicht herankommt. Deshalb konnten wir dich retten.« Da war er wieder, der Hacker, der den technisch Unbedarften erklärte, was für ihn völlig offensichtlich war.
»Und noch einmal: warum?« Während ich die Frage stellte, erinnerte ich mich an Träume von schwarzem Glas und Feuer und einer dunklen Sonne, die am Himmel brannte. Die Landschaft hatte Ähnlichkeiten mit der Netzübertragung, die ich in der Atlantis-Station der Clique gesehen hatte.
»Ich weiß es nicht. Dazu muss ich mich noch einmal in deinem Kopf umschauen«, erklärte er mir.
»Kein Problem, nachdem wir wieder uneingeschränktes Vertrauen zueinander haben.«
»Ich werde es machen«, sagte Heckschütze.
»Du hast mich heute schon einmal bedroht.«
»Dann mache ich es«, sagte Morag.
»Du wolltest mich töten!«
»Ich werde es mir ansehen«, sagte Salem. »Mit Jakobs Erlaubnis.«
Ich musterte den ruhigen alten Mann. Seine verwitterten, ledrigen Züge, die Falten seiner Haut. Er war genauso wie sein Avatar angezogen, und alles von dieser Kleidung bis zu seinem gelassenen Auftreten wirkte hier völlig deplatziert. Dann fiel mir etwas ein.
»Heide, du hast gesagt, dass Nuada die Voraussetzungen geschaffen hat, um mich zu retten.«
Morag und der Heide nickten, aber mit sichtlichem Unbehagen.
»Und Rannu?«
Ihre Mienen verrieten mir alles, was ich wissen wollte. Seine obszönen Schreie hallten immer noch durch die Höhle. Wir hatten einen weiteren Freund verloren, aber uns blieb seine verzerrte Karikatur, damit wir es nicht vergaßen.
»Es tut mir leid«, sagte der Heide erschüttert. Er wirkte gebrochen. Deshalb war er vor dem Exorzismus auf mich losgegangen, als ich über Morag hergefallen war – aus schlechtem Gewissen. Ich schaffte es nicht
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