Krieg im Himmel
durch und durch eine Cockney und machte kein Geheimnis aus den zahlreichen Verbindungen ihrer Familie zum organisierten Verbrechen, aber sie selbst hatte sich ganz klar von diesen kriminellen Aktivitäten distanziert. Sie war mit einer Plattform der staatlichen Verwaltung statt einer politischen Partei angetreten und bekam viel Unterstützung aus der Veteranengemeinschaft. Mudge mochte sie sehr und verglich sie mit einer Premierministerin aus der Prä- FMK -Ära, von der ich noch nie gehört hatte. Er schickte mir ein paar Bücher über diese Epoche.
Bücher. Das war das Beste am Geld. Ich konnte mir echte, alte Bücher mit Papier und Bindung und Geruch leisten. Und ich konnte es mir leisten, jede Menge Musik in guter Qualität runterzuladen und echten Single Malt Scotch aus den Parkdestillerien in den Highlands kaufen. Komischerweise interessierten mich die Senso-Kabinen überhaupt nicht mehr.
Aus der MagLev-Bahn von London nach Dundee hatte man einen besseren Blick. Ein großer Teil der Strecke führte durch die Parks. Allmählich nahm ich wieder das Datum in meinem IVD wahr. Inzwischen war es November. Ich war seit August nicht mehr in Schottland gewesen. Der heiße Sommer war durch einen öden grauen Herbst mit fast ständigem Regen abgelöst worden.
Die MagLev legte sich über dem Tay in die Kurve. Der Fluss war schiefergrau, durchbrochen von weißen Wellenkämmen, die von einem rauen, kalten Nordwind angetrieben wurden. Ich blickte aus dem Fenster. Die vierspurige MagLev-Brücke war über einer alten Eisenbahnbrücke erbaut worden, die unter Denkmalschutz stand.
Selbst die grellen Farben der Ginza wurden durch den strömenden Regen etwas gedämpft. Im Osten konnte ich die Rigs erkennen. Sie wirkten erstarrt, reglos und tot, ohne irgendwelche Anzeichen auf Leben. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich mit meinem frisch erworbenen Vermögen, meinem Erste-Klasse-Ticket für die MagLev und meinen legalen Reisepapieren irgendwie zum Verräter an den Rigs geworden war.
Ich dachte daran, wie ich Dundee verlassen hatte. Heimlich an Bord eines U-Boots von Drogenschmugglern. Damals hatte es den Anschein gehabt, als hätten alle es darauf abgesehen, uns zu töten. Und nun das.
Ob ich nun zum Verräter geworden war oder nicht – jedenfalls deprimierten mich die Rigs. Vielleicht lag es an meinem neuen Optimismus, dass ich mich mehr um mich selbst kümmerte, wie Morag gesagt hatte. Oder es waren meine Aussichten, die Veränderungen, die mit dem Geld einhergingen, aber ich konnte mich einfach nicht dazu überwinden, mich hier länger aufzuhalten, zumal es gar keinen Grund dafür gab. Man kam hierher, wenn man nirgendwo anders mehr hingehen konnte. Es gab nichts mehr, das mich hier hielt. Schließlich war der einzige Mensch, der so etwas wie ein Freund für mich hätte gewesen sein können, der schleimige Senso-Dealer Hamish, und den konnte ich nun wirklich nicht ausstehen. Vielleicht hatte die Graue Lady ihn bei ihrem letzten Besuch getötet.
Ich hatte meine Rigs-Beine verloren. Es fiel mir schwer, mich über das regennasse Metall der Aufbauten fortzubewegen. Vorbei an den Häusern aus Schrottteilen, wo die Menschen sich um Müllfeuer drängten, um sich zu wärmen. Ich wehrte einen Raubüberfall ab und half ein paar bettelnden Veteranen aus, die es nicht geschafft hatten, nach ihrer Entlassung die Gliedmaßen- und Augenprothesen zu behalten. Ich hoffte, ich konnte ihnen mit dem Geld eine Weile über die Runden helfen, aber ich kam nicht damit klar, wie ihre leeren Augenhöhlen mich anzustarren schienen.
Ich hielt mich vom großen Ring aus geschmolzenem Metall rund um eine offene Wasserfläche fern, wo sich das Forbidden Pleasure befunden hatte, bevor es auf Rollestons Befehl durch eine Orbitalwaffe vernichtet worden war. Er hatte versucht, Botschafter zu töten. Es war, als hätte man einen Vorschlaghammer auf eine Ameise niedersausen lassen. Immer mehr Geister folgten mir durch die Rigs.
Ich war wegen einer bestimmten Sache hergekommen. Ich hoffte, dass sie noch vorhanden war.
Als ich mich der Lagerbaracke näherte, hörte ich den hallenden Lärm von Metall auf Metall. Er kam aus dem Innern der Stahlrohre der Rigs. Es kam aus der Welt der Twists.
Ich lief über eine heftig schwankende Brücke aus Treibholz und verrostetem Wellblech. Die bewaffneten Wachleute, die vom Geld für die Lagerung bezahlt wurden, kamen mir entgegen. Sie hatten den Vertrag erfüllt. Das Bike war noch da. Es wäre Ende Dezember verkauft
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