Krieg im Himmel

Götter zutrifft. Und es ist kein religiöser Schwachsinn, die ganze Sache war eine weltliche Offenbarung. Eigentlich wollte ich damit nur eine Parallele ziehen.« Jetzt klang er kaum noch wie der Vikar, den ich als wutschäumenden religiösen Verrückten kennengelernt hatte, sondern mehr wie ein Universitätsdozent in einem alten Viz.
    Die Kirche brach in Flammen aus.
    »Werden wir angegriffen?«, wollte ich erschrocken wissen.
    »Das ist ein Virus.«
    »Von außen? Ein Angriff?«
    Der Vikar trat in die Flammen und blieb darin stehen. Sie umloderten ihn, aber er brannte nicht wie ein realer menschlicher Körper.
    »Brich das fünfte Siegel, Jakob.«
    Unwillkürlich wich ich vor dem Feuer zurück. Ich spürte die Hitze, die davon ausging, ob es nun virtuell war oder nicht.
    »›Und sie schrien mit lauter Stimme: Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du nicht und rächst nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen?‹ Brich das fünfte Siegel, Jakob, weil Rolleston ohne Zweifel das sechste brechen wird.«
    Ich zog mich vor den Flammen zurück. Also war der Vikar doch wieder der Alte geworden. Nur dass er nicht brüllte und schrie und mit den Augen rollte. Er wirkte ruhig und vernünftig, obwohl er wie Papier zu brennen schien.
    »Hattest du schon einmal eine religiöse Erfahrung, Jakob? Eine Erscheinung, eine Epiphanie?«
    »Es war Schwachsinn, eine Halluzination, wie bei euch allen.« Aber ich war mir gar nicht sicher, ob ich selber daran glaubte.
    »Ich weiß, wo Satan seinen Thron hat, Jakob. Daneben wirkt die Atlantis-Konstruktion wie ein unscheinbarer Baukran.«
    »Wo?«, wollte ich wissen.
    »Auf Lalande 2, in der Zitadelle.« Dann lachte er plötzlich. »Wir beide haben einen Pakt geschlossen. Jetzt musst du ihn besiegeln!«
    »Wie?« Inzwischen brüllte ich, weil das Tosen der Flammen immer lauter geworden war. Die Kirche brannte wie Papier. Der Vikar sagte mir, was ich tun sollte.
    Ich saß auf dem Boden neben dem Bett des Vikars. Ich konnte ihn nicht ansehen, während ich es tat. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, wie sehr es hier stank – nach altem Blut, Angst, Schweiß, Scheiße, Pisse. Es war ein Gräuel.
    Wenn ich es tun wollte, musste ich es jetzt tun, bevor ich die Nerven verlor. Ich stand auf und entfernt mich vom Bett. Mein Schulterlaser entfaltete sich und schob sich durch die Schulterklappe meines Mantels. Das Zielfenster erschien in meinem IVD . Ich dachte, dass es einfacher wäre, den Laser zu benutzen und nicht selbst den Abzug zu betätigen. Ich schloss die Augen. Ich wollte nicht sehen, wie mein Freund zu einer Masse aus blutigem Dampf, verkohltem Fleisch und Knochen wurde. Das Problem mit dem Zielfenster ist nur, dass es keine Rolle spielt, ob man die Augen geschlossen hat oder nicht. Der Knall der überhitzten Luftpartikel war obszön, genauso wie der rote Lichtblitz im dunklen Lagerhaus.
    Ich hatte nicht mehr töten wollen, und nun hatte ich es doch getan. Einen Freund von mir. Der Vikar war für mich wie alle anderen, ein weiteres Opfer von Rolleston.
    Als ich mich auf den Weg zur Tür machte, aktivierte sich mein Helligkeitskompensator, als grelles Licht durch die schmutzigen Fenster und die ein Stück offenstehende Tür fiel. Seit ich aus der Senso-Trance erwacht war, hatte ich gespürt, dass ich Gesellschaft bekommen hatte. Die Leute waren nicht besonders leise gewesen. Ich hatte keine Lust, darauf zu warten, dass sie hereinkamen und mich packten, und ich wusste auch keinen anderen Ausweg. Ich beschloss, es einfach hinter mich zu bringen.
    Draußen war es sehr hell. Viele Blaulichter, Sirenen und bewaffnete Leute, die herumbrüllten. Das erinnerte mich daran, wie wir nach der Meuterei in der Santa Maria an Hoch-Nyota-Mlima angedockt waren, die angeleinte Raumstation an der Spitze der kenianischen Speiche.
    Ich befolgte die Anweisungen, die mir zugerufen wurden, und kam mit erhobenen Händen heraus. Doch ein paar Dinge irritierten mich. Wo waren die Leute, die den Vikar bewacht hatten? Ich ging wie befohlen in die Knie, während das vorrückende C- SWAT -Team mich die ganze Zeit in Schach hielt. Ich kam mir wie eine Berühmtheit vor. Bis zu dem Moment, als man mich mit dem Gesicht nach unten zu Boden warf und meine Hände fesselte. Und woher konnte der Vikar wissen, was ich in den Hundezähnen gesehen hatte? Ich versuchte zu vergessen, was ich selbst gesehen hatte.
    Dann kamen natürlich die unvermeidlichen Prügel.

6. Kapitel
    IRGENDWO IN DEN MIDLANDS
    Ich