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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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unbehaglich, und Fürst Andree nahm wahr, daß er ein Gast war, für welchen man Ausnahmen machte, und daß er alle durch seine Anwesenheit störte. Am ersten Tag war Fürst Andree schweigsam, und als der alte Fürst dies bemerkte, wurde er mürrisch und ging sogleich nach Tisch in sein Zimmer. Als Fürst Andree abends zu ihm kam und ihn aufzuheitern suchte, lenkte der alte Fürst unerwartet das Gespräch auf die Fürstin Marie, welche er wegen ihres Aberglaubens und ihrer Abneigung gegen Mademoiselle Bourienne tadelte, die nach seiner Meinung allein ihm wirklich ergeben war.
    Der alte Fürst sagte, nur Marie sei schuld, daß er so krank sei, weil sie ihn absichtlich quäle und ärgere, und sie verderbe auch den kleinen Fürsten Nikolai durch Verwöhnung und dumme Reden. Der Alte wußte sehr gut, daß er seine Tochter quälte und ihr das Leben sehr schwer machte, aber er meinte, er könne nicht anders, und sie verdiene das. »Fürst Andree begreift das nicht, und ich muß ihn darüber aufklären«, dachte er.
    Wenn Sie mich fragen«, sagte Fürst Andree, ohne seinen Vater anzublicken, den er zum erstenmal in seinem Leben innerlich tadelte, – »ich wollte nicht selbst davon reden – aber wenn Sie mich fragen, muß ich Ihnen offen meine Meinung aussprechen. An dem Mißverständnis und dem Zwist zwischen Ihnen und Marie kann ich ihr keine Schuld beimessen. Ich weiß, wie sie Sie liebt und verehrt, aber meine Meinung ist, wenn Mißverständnisse vorliegen, ist die Veranlassung dazu das nichtswürdige Frauenzimmer, welches nicht die Genossin meiner Schwester sein sollte.«
    Der Alte blickte seinen Sohn anfangs erstaunt an.
    »Welche Genossen? Was meinst du? Hast du dich schon bereden lassen, wie?«
    »Väterchen, ich wollte nicht richten«, sagte Fürst Andree in zärtlichem Ton, »aber Sie haben mich herausgefordert, und ich kann nur sagen, Fürstin Marie ist unschuldig! Schuldig ist nur diese Französin.«
    »Ah, verurteilt! Verurteilt!« sagte der Alte mit einiger Verlegenheit, wie Fürst Andree glaubte, dann aber plötzlich sprang er auf und schrie: »Fort! Fort! Lasse dich nicht wieder hier blicken!«
    Fürst Andree wollte sogleich abreisen, aber Marie bat ihn, noch einen Tag zu bleiben. An diesem Tag sah er den alten Fürsten nicht, welcher nicht herauskam und niemand zu sich ließ, außer Mademoiselle Bourienne und Tichon, und mehrmals fragte, ob sein Sohn abgereist sei.
    Am anderen Tag vor seiner Abreise war Fürst Andree in seinen Zimmern. Der gesunde, lockenköpfige Knabe saß auf seinem Knie. Fürst Andree erzählte ihm das Märchen vom Blaubart und verfiel in Nachdenken. Zu seinem Entsetzen empfand er keine Reue darüber, daß er den Vater gereizt hatte, noch Bedauern darüber, daß er ihn bald verlassen werde. Wichtiger als alles war für ihn das, daß er die frühere Zärtlichkeit zu seinem Sohn in sich selbst suchte und nicht fand.
    »Nun, erzähle doch!« sagte der Kleine.
    Fürst Andree nahm ihn vom Knie herab, ohne zu antworten und ging im Zimmer auf und ab. Sobald Fürst Andree seine alltägliche Beschäftigung aufgegeben hatte und in die frühere Umgebung zurückgekehrt war, in der er sich einst glücklich gefühlt hatte, erfaßte ihn die Schwermut mit neuer Kraft, und es drängte ihn, diesen Erinnerungen zu entgehen und recht bald irgendeine Tätigkeit zu finden.
    »Du fährst wirklich fort, Andree?« fragte ihn seine Schwester.
    »Gott sei Dank, daß ich fort kann«, erwiderte er. »Ich bedaure nur sehr, daß du das nicht auch kannst.«
    »Warum möchtest du das?« erwiderte Marie. »Jetzt, wo du in diesen schrecklichen Krieg ziehst, und er so alt ist? Mademoiselle Bourienne sagte, er habe nach dir gefragt.« Bei diesen Worten zuckten ihre Lippen. Fürst Andree wandte sich ab und ging wieder im Zimmer umher.
    »Ach, mein Gott«, sagte er, »welche geringfügigen Ursachen können das Unglück der Menschen machen!«
    Sie begriff, daß er unter geringfügigen Ursachen nicht nur Mademoiselle Bourienne, sondern auch jenen Menschen verstand, der sein Glück zerstört hatte.
    »Andree, ich bitte dich«, sagte sie mit strahlenden Augen, »denke nicht, daß die Menschen den Kummer verursachen. Er sendet ihn, sie sind nur seine Werkzeuge. Und wenn du auf jemand einen Groll hast, so vergiß ihn und vergib! Wir haben nicht das Recht zu strafen, und du wirst das Glück, zu vergeben, kennenlernen.«
    »Wenn ich ein Weib wäre, so würde ich das tun, Marie. Das ist die Tugend der Frauen, aber ein Mann soll und

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