Krieger der Stille
Tixu, ob seine Beziehung zu dem Antra nicht gefährlich sei, sowohl für ihn als auch für andere.
Doch gerade dadurch geriet er in einen euphorischen Zustand, der ihn zudem innerlich von allem löste, dass er darauf nicht mehr verzichten wollte. Das Antra heilte seine tiefsten Wunden; es befreite ihn aus diesem verborgenen Gefängnis, in das er sich selbst gesperrt hatte; zerbrach die Ketten, die seiner wahren Natur zuwider waren und ebnete ihm den Weg hin zu einer inneren Wahrnehmung. Der Klang war ein Alchimist, er schmolz, um eine neue Form zu gießen. Er war ein Architekt, der zerstörte, um neu zu bauen. Warum hätte Tixu nicht von dem Antra Gebrauch machen sollen?
Er schlief ein. Und im Schlaf glaubte er, die schwache, ersterbende Stimme Aphykits zu hören. Sie rief ihn. Sie brauchte ihn.
Lange vor Morgengrauen wurde er wach, lange bevor das leise Schnarchen Stanislav Nolustrists aufhören würde.
Und er begriff, dass er diesen Hilferuf nicht geträumt hatte.
FÜNFZEHNTES KAPITEL
Vor sehr langer Zeit lebte auf Selp Dik – was in der Sprache der Ureinwohner Land der Magie bedeutet – ein Volk von Magiern und Feen. Sie lebten in Albar, einem nebelverhangenen Land mit tiefen Wäldern, in das sich außer ihnen niemand wagen konnte, ohne sich darin zu verirren … Sie wohnten im dichten grünen Blattwerk der tausend Jahre alten Riesenbäume und tranken das Wasser der Ewigen Kaskade. Es spendete ihnen Kraft und ein langes Leben. Sie aßen die Früchte, die auf dem Kristall des Felsens an den Ufern des Sees der Barmherzigkeit wuchsen, und diese Früchte waren so köstlich, dass sie nicht das Bedürfnis hatten, sich vom Fleisch der Tiere zu ernähren. So lebten sie in friedlicher Eintracht mit ihnen …
Ihre Herzen waren rein wie die der Kinder und ohne Arglist.
Der Anführer dieses Volks war der Zauberer Gudevure, ein sehr weiser und ehrbarer Mann. Seine Gemahlin, die Fee Iradielle, hatte ihm zwei Mädchen geschenkt, die Feechen Flammèche und Étincelle. Ihre Schönheit war derart überwältigend, dass aus allen Gegenden des Reichs Albar junge Zauberer auf Luftströmen oder Lichtstrahlen herbeiritten, sie bewunderten und bei Gudevure und seiner Gemahlin um die Hand der einen oder der anderen anhielten.
Doch der alte Magier und seine Frau antworteten jedes Mal: »Es ist nicht an uns, darüber zu entscheiden, unsere Töchter wählen ihre Gatten selbst …« Die jungen Zauberer eilten zu den Schwestern und erklärten ihnen ihre Liebe. Natürlich waren die Feechen geschmeichelt, doch sie ersannen allerlei
Zauberkunststücke, die jedoch so schwer waren, dass sie ihren Anbetern niemals gelingen konnten. An den Grenzen Albars aber lebten böse Zauberer, die neidischen Ager. Schon öfter hatten sie versucht, das Reich der Magie zu überfallen, waren aber jedes Mal von dem mächtigen Zauberer Gudevure daran gehindert worden. Jetzt trug ihnen der unbesonnene Wind zu, welch gefährliches Spiel die Töchter ihres Erzfeindes spielten und sie nahmen die Gelegenheit wahr, sich zu rächen. Und während das Augenmerk des ganzen Königreichs auf die jungen Zauberer gerichtet war, die danach trachteten, die Herzen ihrer Angebeteten zu erobern, schmiedeten die Ager finstere Ränke.
Einer der ihren, ein Hexer namens Mon, nahm die Gestalt eines Traums an und überschritt in dunkler Nacht die Grenze des Landes Albar. Die Grenzwächter, die Zauberlehrlinge, denen die Feechen ebenfalls die Köpfe verdreht hatten, entdeckten den Ager Mon weder durch die Kraft ihrer Gedanken noch durch Wahrsagen oder indem sie dem Atem der Sterne lauschten.
Also begab sich Mon ohne Schwierigkeiten zum Haus Gudevures und Iradielles. Und während sie alle schliefen, besuchte er Étincelles Geist. Er trat in den Kreis ihrer Träume und vertrieb durch seine schreckliche Gegenwart alle anderen Träume. Als er Leere um sich geschaffen hatte, hauchte Mon der Ager dem schlafenden Feechen den Gedanken ein, sie möge ihren Verehrern als Liebesbeweis folgende Aufgabe stellen: ihr das Herz einer Silberhindin zu bringen, dieses sanften, grazilen Tiers, das in den Wäldern Albars lebte. Denn Mon der Ager wusste nur zu gut, dass die magischen Gesetze im Reich Albar das Töten eines jeglichen Lebewesens strikt verboten. Und dass im Falle eines solchen schwerwiegenden Gesetzesbruchs das Volk der Magier und Feen sofort den Schutz der Gottheiten der Zwischenwelten und der Engel verlören.
Nachdem Mon der Ager seine Schandtat begangen hatte, kehrte er zu seinen
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