Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
halbintelligente Tiere, welche die Knochen derer benutzten, die sie in sich aufnahmen. Ja, sie waren merkwürdig, aber bei ihnen handelte es sich nicht um Phantome, und sie waren nicht einmal wirklich gefährlich. Es gab keine düsteren Gespenster in der Nacht, keine spukenden Geister oder Ghule.
Zumindest hatte Kelsier das gesagt. Aber das Ding, das in diesem Zimmer stand und dessen ungreifbare Gestalt sich im Nebel wand, schien ein mächtiges Gegenbeispiel zu sein. Sie hielt den Fensterrahmen fest gepackt und spürte, wie ihr alter Freund, die Angst, wiederkehrte.
Lauf weg. Flieh. Versteck dich.
»Warum beobachtest du mich?«, wollte sie wissen.
Das Ding bewegte sich nicht. Seine Gestalt schien den Nebel anzulocken, der sich sanft wie in einem Luftstrom rund um es herum drehte.
Ich kann es mit meiner Bronze spüren. Das bedeutet, dass es Allomantie benutzt – und Allomantie zieht den Nebel an.
Das Ding machte einen Schritt nach vorn. Vin versteifte sich.
Und dann war das Gespenst verschwunden.
Vin runzelte die Stirn. War es das schon gewesen? Sie hatte … Etwas ergriff ihren Arm. Etwas Kaltes, Schreckliches, aber sehr Wirkliches. Schmerz schoss in ihren Kopf, drang durch ihr Ohr bis ins Hirn. Sie schrie auf, doch ihre Stimme versagte. Mit einem leisen Ächzen – ihr Arm zitterte und bebte – fiel sie rückwärts aus der Fensteröffnung.
Ihr Arm war so kalt. Sie spürte, wie er neben ihr durch die Luft peitschte und Kälte auszuströmen schien. Der Nebel trieb an ihr vorbei wie wandernde Wolken.
Vin fachte ihr Zinn an. Schmerz, Kälte und Klarsichtigkeit explodierten in ihrem Kopf. Sie wirbelte herum und ließ ihr Weißblech auflodern, kurz bevor sie auf den Boden traf.
»Herrin?«, fragte OreSeur, der aus den Schatten heranschoss.
Vin schüttelte den Kopf, kämpfte sich auf die Knie und drückte sich mit den Handflächen von den glitschigen Pflastersteinen ab. Noch immer spürte sie, wie Kälte ihren linken Arm durchzog.
»Soll ich Hilfe holen?«, fragte der Wolfshund.
Vin schüttelte den Kopf und zwang sich aufzustehen. Schwankend schaute sie durch den wirbelnden Nebel auf die schwarze Fensteröffnung über ihr.
Sie fröstelte. Ihre Schulter schmerzte an der Stelle, wo sie auf das Pflaster geschlagen war, und in ihrer noch immer wunden Seite pochte es, doch sie spürte, wie ihre Kraft wiederkehrte. Sie trat von dem Gebäude zurück. Die dichten Nebelschwaden dort oben erschienen ihr drohend. Verdüsternd.
Nein, dachte sie entschlossen. Der Nebel bedeutet für mich Freiheit; die Nacht ist mein Zuhause! Ich gehöre hierher. Ich fürchte mich nicht mehr in der Nacht, seit Kelsier sie mir gezeigt hat.
Das Gefühl durfte sie nicht verlieren. Sie würde nicht zur Angst zurückkehren. Doch gegen ihre hastigen Bewegungen, mit denen sie OreSeur zuwinkte und sich von dem Gebäude entfernte, konnte sie nichts tun. Sie gab dem Kandra keine Erklärung für ihre seltsamen Handlungen.
Und er bat nicht darum.
Elant errichtete auf dem Tisch einen dritten Bücherstapel, der sich gegen die beiden anderen lehnte und die gesamten Bände zu Boden zu werfen drohte. Er rückte sie gerade und hob den Blick.
Weher trug wieder einmal einen seiner affektiert wirkenden Anzüge. Er betrachtete belustigt den Tisch und nippte an seinem Wein. Hamm und Spuki waren mit einem Steinspiel beschäftigt, während sie auf den Beginn der Sitzung warteten; Spuki schien zu gewinnen. Docksohn hockte in der Zimmerecke und schrieb etwas in ein großes Kontobuch, und Keuler saß in einem tiefen Polstersessel und sah Elant finster an.
Jeder dieser Männer könnte der Verräter sein, dachte Elant. Dieser Gedanke hatte für ihn immer noch etwas Verrücktes. Was sollte er tun? Sie alle nicht mehr ins Vertrauen ziehen? Nein, er brauchte sie zu dringend.
Der einzige Weg bestand darin, sich völlig normal zu geben und die anderen zu beobachten. Vin hatte ihm geraten, nach Unstimmigkeiten in ihrem Verhalten Ausschau zu halten. Er wollte es versuchen, aber er wusste nicht, ob es ihm gelingen
würde. Das war eher Vins Gebiet. Er musste sich Gedanken um die feindlichen Armeen machen.
Während er an Vin dachte, schaute er auf das Bleiglasfenster in der Rückwand des Arbeitszimmers und war überrascht, als er bemerkte, dass es dunkel war.
Ist es schon so spät?, dachte Elant.
»Mein Lieber«, sagte Weher, »als du uns gesagt hast, du müsstest ›ein paar wichtige Dinge nachschlagen‹, hättest du uns warnen können, dass das zwei ganze
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