Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
enttäuscht
und durchwühlte die Papierstöße. Der Tonfall des Tagebuches war eher melancholisch als informativ. Der Held hatte es für sich selbst geschrieben, damit er bei Verstand blieb und er seinen Ängsten und Hoffnungen Ausdruck verleihen konnte. Elant sagte, er selbst schreibe manchmal aus denselben Gründen. Vin fand das eine dumme Art und Weise, mit Schwierigkeiten umzugehen.
Seufzend wandte sie sich dem letzten Blätterstapel zu, der all jene Texte enthielt, die sie noch durchsehen musste. Sie legte sich auf den Steinboden und suchte nach verwertbaren Informationen.
Dabei kam sie nur mühsam voran. Vin war keine schnelle Leserin, und außerdem schweiften ihre Gedanken immer wieder ab. Sie hatte das Tagebuch schon einmal gelesen, und seltsamerweise erinnerten bestimmte Hinweise und Bezeichnungen sie daran, wo sie sich zu jener Zeit aufgehalten hatte. Zwei Jahre war es her, und es lag eine ganze Welt dazwischen, als sie sich in Fellise von den Verletzungen erholt hatte, die ihr ein Stahlinquisitor beigebracht hatte und die beinahe tödlich gewesen waren. Damals war sie gezwungen gewesen, die junge, unerfahrene Landadlige Valette Renoux zu spielen.
Sie hatte kein Vertrauen in Kelsiers Plan gehabt, das Letzte Reich zu stürzen. Sie war nur bei der Mannschaft geblieben, weil sie all das Seltsame schätzte, das diese Männer ihr gaben – Freundschaft, Vertrauen und Lektionen in Allomantie –, und nicht, weil ihr deren Ziele zusagten. Sie hatte nicht vorhersehen können, wohin all das führen würde. Sie war auf Bälle und Festlichkeiten gegangen und hatte sich sogar ein wenig an die Existenz der Adligen gewöhnt, die sie hatte darstellen müssen.
Doch das war eine Farce gewesen, ein Schauspiel, das nur wenige Monate gedauert hatte. Sie zwang ihre Gedanken weg von den aufgeplusterten Kleidern und den Tänzen. Jetzt musste sie sich auf praktische Dinge konzentrieren.
Und … ist das hier denn etwas Praktisches?, überlegte sie, während sie ein Blatt auf einen der Stapel legte. Ich lese über Dinge,
die ich kaum verstehe, und fürchte eine Bedrohung, die niemand sonst erkennt.
Sie seufzte erneut und verschränkte die Arme unter dem Kinn, während sie auf dem Bauch lag. Worüber machte sie sich Sorgen? Dass der Dunkelgrund zurückkehren könnte? Alles, was sie hatte, waren einige gespenstische Visionen im Nebel, die, wie Elant bereits angedeutet hatte, durchaus ihrem überbeanspruchten Geist entsprungen sein könnten. Viel wichtiger war eine andere Frage. Angenommen, der Dunkelgrund existierte noch, was sollte sie dann dagegen unternehmen? Sie war keine Heldin, kein General und keine Führerin.
O Kelsier, dachte sie, während sie ein weiteres Blatt zur Hand nahm. Wir könnten dich jetzt gut gebrauchen. Kelsier war ein Mann jenseits aller Konventionen gewesen, ein Mann, dem es irgendwie möglich gewesen war, der Wirklichkeit zu trotzen. Er hatte geglaubt, er würde den Skaa zur Freiheit verhelfen, indem er den Obersten Herrscher stürzte und dabei sein Leben hingab. Doch was war, wenn sein Opfer einer noch größeren Gefahr Tür und Tor geöffnet hatte – einer so vernichtenden Gefahr, dass das Reich des Obersten Herrschers dagegen das kleinere Übel gewesen war?
Sie hatte die Seite durchgesehen und legte sie auf den Stapel, in dem sich keine nützlichen Informationen befanden. Dann hielt sie inne. Sie konnte sich kaum an das erinnern, was sie soeben gelesen hatte. Mit einem Stoßseufzer nahm sie das Blatt wieder an sich und betrachtete es erneut. Wie machte Elant das bloß? Er konnte immer wieder dieselben Bücher studieren. Aber für Vin war es bereits schwer, wenn sie …
Ihre Gedanken brachen ab. Ich muss annehmen, dass ich nicht verrückt bin, besagte der Text. Wenn ich das nicht glaube, kann ich meine Suche nicht mehr mit einem Gefühl des Vertrauens fortführen. Daher muss das Ding, das mich verfolgt, wirklich sein.
Sie setzte sich auf. An diesen Teil des Tagebuches erinnerte sie sich nur sehr undeutlich. Die Eintragungen folgten zeitlich aufeinander, trugen aber kein Datum. Der Autor neigte zu Abschweifungen
und redete gern über seine Unsicherheit. Dieser Abschnitt war besonders trocken gewesen.
Doch hier, inmitten all seiner Beschwerden, steckte eine wichtige Information.
Ich glaube, dass es mich töten würde, wenn es könnte, hieß es weiter.
Es ist etwas Böses an diesem Ding aus Schatten und Nebel, und meine Haut schaudert vor seiner Berührung zurück. Doch es scheint in seinen
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