Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
die oberste Gallertschicht durchbohrte. Das Kreischen des Gefangenen schlug in einen markerschütternden Schrei um. »Ich sage es Euch! Bei Gott, ich sage es Euch!«
Crow zog die Klinge zurück. Blut tröpfelte wie eine rote Träne an der Wange des Schotten herunter. Nach Atem ringend hing er schlaff in den Fesseln. »Ich weiß, wo das Lager ist!«
»Wo?«
»Das kann ich nicht sagen. Wartet! «, krähte der Gefangene, als der Dolch erneut aufblitzte. »Beschreiben kann ich den Weg nicht, aber …« Er brach ab und ließ den Kopf sinken. Am Ende war die Furcht stärker als die Scham. »Ich kann Euch eine Karte zeichnen.«
König Edward stand am Fenster und starrte über die Landschaft hinter Dunfermlines Mauern hinweg. Das verschneite Gelände erstreckte sich bis zum Firth of Forth hinab, dessen Wasser dunkel unter dem trüben Himmel schimmerte. In der Ferne konnte er auf der anderen Seite der Flussmündung die schwarzen Klippen erkennen, die die Stadt Edinburgh flankierten.
Edward spürte die Kälte dieser Eislandschaft tief in den Knochen. Dieser Tage machte ihm der Winter mehr zu schaffen als früher, wenn er morgens aufstand, schmerzten seine Glieder, und er verspürte ein ungewohntes Druckgefühl in der Brust. Rein äußerlich gab er trotz seiner schneeweißen Haare und der faltigen Haut noch immer das Bild eines stattlichen Mannes ab, sein Körper war durch jahrelanges Training und Kriege straff und muskulös geblieben. Aber er merkte, wie er innerlich schwächer wurde.
Als er lautes Gelächter hörte, drehte er sich um und sah, dass sein dreijähriger Sohn Thomas in die Kammer gerannt kam, dicht gefolgt von seinem kleinen Bruder Edmund. Sie liefen zu ihrer Mutter, die lesend am Kamin saß. Kurz vor Weihnachten waren Königin Marguerite und der Rest der Frauen mit einer Rittereskorte von York hierhergereist. Schottland war fast erobert, und Edward wollte seine Familie bei sich haben, wenn er die Ursache achtjährigen Verdrusses unter seinem Absatz zermalmte. Er sah, wie Marguerite einen Kuss auf die zerzausten blonden Köpfe der Jungen hauchte, bevor ihre Kinderfrau herbeigeeilt kam.
»Bitte um Verzeihung, Mylady. Mylord«, schnaufte sie, dabei neigte sie den Kopf vor Edward. »Sie sind einfach zu flink für mich.« Sie scheuchte die Jungen aus dem Raum, schloss die Tür und dämpfte so das fröhliche Lachen.
Edwards Blick ruhte auf seiner Frau, die sich mit ihrem Buch wieder zurücklehnte. Die Schwester König Philipps war siebzehn gewesen, als er sie in Canterbury geheiratet hatte. Sie war die Perle von Frankreich genannt worden, eine scheue, zarte Schönheit mit milchweißer Haut. Jetzt, mit einundzwanzig und nach der Geburt zweier Kinder, hatte ihr schmaler Körper weibliche Rundungen entwickelt. Ihre Jugend bewirkte, dass sich Edward noch älter fühlte und ihm stärker bewusst wurde, wie schnell die Zeit verging und was er noch erreichen wollte, bevor sein Körper ihn im Stich ließ und die Erde sich auftat, um seine sterblichen Überreste in sich zu bergen.
Sein Großonkel König Richard hatte den Beinamen Löwenherz getragen, sein Onkel Louis von Frankreich war heilig gesprochen worden. Der Kreuzritter und der Heilige – so würde man sie in Erinnerung behalten. Er wollte ein ebenso großes Vermächtnis hinterlassen, wollte als der Mann gepriesen werden, der ganz Britannien unter seine Herrschaft gebracht und so ein vereintes Königreich geschaffen hatte. Der Mann, den man als neuen Artus bezeichnen würde, den größten Kriegerkönig, der je gelebt hatte.
Marguerite bemerkte, dass er sie anstarrte. »Du wirkst gedankenverloren, mein Gemahl.« Sie sprach mit einem silberhellen französischen Akzent.
Edward holte tief Atem. »Ich denke an den bevorstehenden Feldzug. Stirling Castle ist eine Nuss, die schwer zu knacken sein wird, fürchte ich.«
»Kannst du sie nicht von ihren Versorgungslinien abschneiden und aushungern? Das hast du doch früher schon mit Erfolg getan.«
Er lächelte leicht. Ihr Interesse an seinen Strategien belustigte ihn. »Das würde zu lange dauern. Stirling verfügt über große Mengen an Vorräten und ausgezeichnete Verteidigungsanlagen.« Er hielt ihr eine Hand hin.
Marguerite legte ihr Buch zur Seite und trat zu ihm. Der Saum ihres Gewandes schleifte raschelnd über den Läufer. Sie ließ sich von Edward zum Fenster führen, wo er sich hinter sie stellte und ihr die Hände auf die Schultern legte.
»Wie Edinburgh.« Er beugte sich vor, sodass sich sein Gesicht auf
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