Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
jungen Mann. Die pergamentdünne Haut seiner um die Lehnen des Throns gekrallten Hände, die Schmerzen in seinen Knochen, sein schütteres Haar, das so weiß war wie der Hermelinbesatz auf seinen Gewändern: All das erzählte die Geschichte vergangener Jahre und unerreichter Ziele. Die jungen Heißsporne mit ihren geschmeidigen Gliedern und frischen Gesichtern trieben ihn zum Wahnsinn. In ihm brannte noch immer derselbe unstillbare Hunger wie in seiner Jugend, aber er war jetzt in dem verfallenden Körper eines Mannes Ende sechzig gefangen.
Der Tod streckte Stück für Stück seine Klauenhände nach ihm aus. Er konnte seine Finger unter seiner Haut spüren, sie zerrten an Sehnen und Muskeln und gruben sich in sein Gedärm. Die Krankheit, die ihn während des Rückzugs aus Schottland befallen hatte, war im Lauf des Winters schlimmer geworden und verwandelte seine Eingeweide in Wasser. Die üppigen Fleischmahlzeiten und der Wein, den er sein ganzes Leben lang genossen hatte, bereiteten ihm jetzt Schmerzen statt Vergnügen. Seine Köche setzten ihm mittlerweile kleine, fade Portionen vor, und selbst diese schlichten Speisen konnte er kaum bei sich behalten. Die Haut verschrumpelte an seinem Körper, die Muskeln schrumpften bis auf die Knochen. Schmerz war sein ständiger Begleiter, ein sengendes Nagen in seiner Magengrube. Aber es gab etwas, das ihn antrieb, etwas, das ihn jeden Morgen aus seinem Bett scheuchte und den Tag durchstehen ließ. Wut.
Ende letzten Sommers hatte Edward sein Lebenswerk für vollbracht gehalten. Wales, Irland und die Gascogne standen unter seiner Herrschaft, ebenso wie Schottland, das er von einem Königreich zu einem einfachen Staat degradiert und die Symbole seiner Souveränität in seine Obhut genommen hatte, erst den Krönungsstein, dann den jungen Earl of Fife mit seinem Erbrecht als Königsmacher. Die schottischen Magnaten hatten sich ihm unterworfen, John Balliol ertrank, soweit er wusste, in der Picardie in Rotwein und Selbstmitleid, und der in vier Teile gehackte Körper von William Wallace verrottete in der Sonne. Indem er die Reliquien des Brutus zusammengetragen hatte, hatte er – in den Augen seiner Männer – Britannien vor dem in Merlins Prophezeiung vorhergesagten Untergang gerettet und sich selbst zu einem neuen König Artus hochstilisiert. Doch die ganze Zeit lang hatte eine Schlange in seinem Haus gelauert und darauf gewartet, aus dem Schatten herauszugleiten und zuzustoßen.
Als am Tag von Wallace’ Hinrichtung der Verrat von Robert Bruce ans Licht gekommen war, hatte die Wut Edward zu überwältigen gedroht. Und als er später bei der Befragung der Wachposten der Abtei erfahren hatte, dass Bruce sowohl den Stab des Malachias als auch den Kasten mit der Prophezeiung mitgenommen hatte, hatte er gemeint, fast den Verstand zu verlieren. Im Lauf der nächsten Monate war dieser Wahnsinn zu einem weißglühenden Verlangen nach Vergeltung abgeflaut. Edward wusste jetzt, wovor Aymer de Valence ihn die ganze Zeit lang gewarnt hatte – seine Besessenheit, Wallace zu Fall zu bringen, hatte ihn blind für die Bedrohung durch Bruce gemacht. Er hatte den Mann unterschätzt, hatte gedacht, er wäre wie sein Vater: ehrgeizig, aber fügsam.
Jetzt trafen von Garnisonen überall in Schottland ständig neue Berichte ein. Robert Bruce hatte John Comyn ermordet und eine Rebellion angezettelt. Burgen im Westen wurden von seinen Truppen eingenommen, und die erste Versammlung des neuen schottischen Rats war gewaltsam aufgelöst worden. Außerdem hieß es, Bruce plane, den Thron an sich zu bringen. Alles kam so, wie es in dem bei Wallace gefundenen Brief gestanden hatte, nur die Ermordung Comyns war eine Neuigkeit.
Während dieser letzten Wochen hatte sich Edward oft gefragt, ob er früher hätte handeln können. Ob er den Schotten eine Armee hätte hinterherschicken können, als Valence und die Truppen, die Bruce in den Norden verfolgt hatten, mit leeren Händen zurückgekehrt waren. Aber die Winterstürme hatten eingesetzt, und er hatte Zeit gebraucht, um seine Vasallen zu den Waffen zu rufen und Vorräte für diesen Feldzug zusammenzutragen. Stattdessen hatte Edward Boten zu seinen Garnisonen entlang der Grenze geschickt und ihnen befohlen, den Abtrünnigen aufzuspüren. Bald hatte er die Antwort erhalten, dass Bruce sich in Turnberry aufhielt, aber die heftigen Schneefälle hatten es ihnen unmöglich gemacht, Belagerungsgeräte so weit nach Westen zu schaffen. Da die Burg erst kürzlich
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