Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
Augen. Sie wirkte viel jünger als ihre sechzehn Jahre – ein Mädchen in einer viel zu großen Tunika, die an ihrer abgemagerten Gestalt schlotterte. Ihre Schritte waren im Lauf des Tages immer langsamer geworden, und in seiner Ungeduld, die letzten Meilen zur Küste zurückzulegen, war Robert taub für ihre Bitten gewesen, eine Pause einzulegen. Jetzt fürchtete er, sie könne krank werden.
Sorge und Wut stritten in ihm, während der Regen über sie hinwegpeitschte und der Wind durch die Gerste pfiff. Wenn sie bei diesem Wetter Fieber bekam, war das ihr Tod. Nicht zum ersten Mal wünschte Robert inbrünstig, er hätte sie in jener Nacht eine Meile von ihrem Heim entfernt am Straßenrand zurückgelassen. Sie hatte ihn über alle Maßen aufgehalten, aber obwohl er sie schon vor Wochen hatte loswerden wollen, wusste er, dass sie in der Wildnis keinen Tag überleben würde. Seinetwegen befand sich Cormac in Ulsters Gewalt und hauste jetzt zweifellos in einem weit weniger luxuriösen Gefängnis. Robert würde nicht zulassen, dass sein Ziehbruder im Verlies des Earls verrottete, und da seine größte Hoffnung in dessen Freilassung in Elizabeths sicherer Rückkehr zu ihrem Vater bestand, durfte er sich nicht von dieser Last befreien. »Kommt«, sagte Robert barsch und nahm sie am Arm. »Dort unten ist ein Dorf. Da werden wir irgendwo unterkriechen können, bis sich das Wetter bessert.«
Als sie an dem Kreuz mit dem Ziegenschädel und den klirrenden Glocken vorbeikamen, starrte Elizabeth es über ihre Schulter hinweg an. Eine unterschwellige Bedrohung schien von ihm auszugehen und seine Schatten vorauszuwerfen, während sie durch den Regen auf die Straße zutrotteten. Zuerst konnte Robert nicht sagen, was genau hier nicht stimmte, dann wurde es ihm plötzlich klar. Die Gerste auf den Feldern war nicht reif, sondern überreif und mit reichlich Unkraut durchsetzt, sie hätte längst geerntet sein müssen. Das hinter dem Fluss liegende Dorf war im Regen und der einsetzenden Dunkelheit nur verschwommen zu erkennen, aber sogar aus der Entfernung bemerkte er, dass kein Kerzenlicht oder Feuerschein hinter den Fenstern flackerte, und der Wind trug keine Spur von Rauch zu ihnen herüber. »Es sieht verlassen aus«, raunte er Elizabeth zu, die neben ihm die überwucherte Straße entlangstolperte.
Eine Brücke führte über den Fluss in die Ansiedlung, aber sie war in der Mitte zerbrochen, Holzstücke trieben im Wasser. Weiter stromabwärts drehte sich ein Mühlrad. Robert stand stirnrunzelnd da, während er die ihm seltsam vertraute Umgebung in sich aufnahm. Er kannte diesen Ort; er war früher im Jahr hier durchgekommen, als er mit seinen Männern gen Süden gezogen war. Als ihm bewusst wurde, dass ihn nur noch wenige Tage, höchstens vier, von Glenarm trennten, wallte freudige Erregung in ihm auf, gefolgt von der Frage, was hier eigentlich geschehen war. Die Antwort bestätigte die ihm zu Ohren gekommenen Gerüchte über Siedler, die Haus und Hof im Stich gelassen hatten und vor den Iren nach England geflohen waren.
Robert nahm Elizabeth bei der Hand und führte sie zum Flussufer, wo das Wasser seichter war. »Steigt auf meinen Rücken, ich wate auf die andere Seite. Es sieht nicht allzu tief aus.« Als sie sich abwandte, drehte sich Robert zu ihr um. Er hatte ihre Angst vor Wasser schon vor einiger Zeit bemerkt. »Keine Sorge, ich lasse Euch nicht los.«
Halb kletterte sie, halb zog er sie auf seinen Rücken, an dem sie wie eine nasse Napfschnecke klebte, stieg in den gurgelnden Fluss und zuckte zusammen, als die kalte Strömung seine Beine umspülte. In der Mitte reichte ihm das Wasser bis zur Taille. Als er stolperte, sog sie zischend den Atem ein und umschlang ihn so fest, dass er fast keine Luft mehr bekam. Robert stapfte weiter, erklomm das schlammige Ufer auf der anderen Seite, löste ihre Arme behutsam von seinem Oberkörper und ließ sie zu Boden gleiten.
Gemeinsam betraten sie bis auf die Haut durchnässt das Dorf, wo sie nur auf verlassene Häuser, Werkstätten und Scheunen stießen. Viele der Häuser sahen aus, als wären sie geplündert worden, Türen waren eingetreten, und die Überreste des Lebens ihrer Bewohner lagen am Boden verstreut. Kleiderfetzen und andere Dinge hingen in den Bäumen. Auf ihrem Weg nach Norden hatte Robert zahlreiche im Stich gelassene Gebäude zu Gesicht bekommen; Burgen und ein paar Kirchen. Aber noch niemals so etwas – eine ganze Stadt. Wer hatte zuerst beschlossen zu gehen? War es
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