Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
bestimmt, den Blick auf seinen knochigen Sohn gerichtet, der zu ihm getreten war. »Im Wald bei den anderen sind wir sicherer. Wir haben Hütten gebaut, um uns notdürftig vor der Nässe zu schützen, und wir teilen uns das Vieh, das wir gerettet haben. Einige sprechen davon, nach Norden in die Berge zu gehen, wenn das Tauwetter einsetzt, dorthin können uns die Ritter mit ihren Schlachtrössern nicht folgen. Es herrscht zwar Waffenruhe, aber die wird nicht lange anhalten. Die Engländer werden im Frühjahr zurückkommen, das ist so sicher wie die Gezeitenwechsel.«
Als sich Affraigs Zorn verstärkte, begriff sie, dass er sich gegen sie selbst richtete. Sie konnte Kopfschmerzen lindern und einen Abszess öffnen, ein Kind auf die Welt holen und einer Frau helfen, schwanger zu werden. Aber diese Männer und Frauen verlangten jetzt Unmögliches von ihr. Lass meine Saat in der verbrannten Erde Frucht tragen. Füll meine leere Speisekammer. Hilf uns, die Engländer zu besiegen. Bring mir meinen Sohn zurück. Die Götter schienen dieser Tage grausamer denn je zu sein, taub für ihre Bitten. Schicksale fielen unerfüllt von ihrem Baum. Letztes Jahr war ein Mann gekommen und hatte sie beschimpft und bedroht. Sein Schicksal war es gewesen, seine große Liebe zu heiraten, aber sie war umgekommen, als die Engländer das Dorf angegriffen hatten. Dieses Ereignis hatte Affraig Anlass gegeben, an sich selbst zu zweifeln.
»Du Narr«, sagte sie mürrisch zu Angus, dabei schlang sie ihren Umhang enger um sich. »Du weißt doch gar nicht, ob die Engländer zurückkommen. Willst du wegen bloßer Gerüchte das Leben deiner Tochter aufs Spiel setzen? Earl Robert wird von der Zerstörung Turnberrys erfahren. Er wird mit einer Armee kommen, um seine Festung wieder aufzubauen, und seine Leute …«
»Habt Ihr es nicht gehört?«, schnitt Angus ihr das Wort ab. »Bruce hat sich dem englischen König ergeben. Vor zwei Monaten hat er die Grenze überquert und ist nach London gegangen. Das ganze Dorf spricht von nichts anderem. Von ihm haben wir keine Hilfe zu erwarten.« Angesichts des Ausdrucks in ihrem Gesicht brach er abrupt ab. »Ich muss zurück.« Er runzelte hoffnungsvoll die Stirn. »Das Amulett?«
»Komm morgen wieder.« Affraig sah ihn nicht an. Ihr Blick ruhte auf einem Netz in dem Baum über ihr, in dem eine durch Wetter und Zeit welk gewordene Krone aus Heidekraut und Geißklee hing, und blieb auch dann noch darauf haften, als die beiden Männer davongingen. Dann drehte sie sich mit einem heißen Aufwallen ihres Blutes und gebleckten Zähnen um und stapfte durch den matschigen Schnee auf das Haus zu. Der Wind zerrte an ihrem Umhang und riss ihn ihr von den Schultern. Sie ließ ihn achtlos fallen. An der Seite des Hauses lehnte ein langer, gegabelter Stock. Rote Flecken loderten auf ihren Wangen, als sie danach griff und zu der Eiche zurückging. Sie packte den Stock mit beiden Händen, blieb unter den Zweigen stehen und betrachtete die Krone. Ihr Herz pochte im Rhythmus der Worte, die ihr durch den Kopf gingen.
Reiß sie herunter.
Mit einer entschlossenen Bewegung stieß sie den Stock zwischen den Zweigen hindurch. Der Schrei einer Frau ließ sie innehalten. Schwer atmend blickte sich Affraig um. Das gegabelte Ende des Stocks schwebte direkt unter dem Netz. Ihre Nichte stand auf der Schwelle und hielt ihre kleine Tochter auf einer Hüfte.
»Es ist kalt, Brigid.« Affraigs Stimme klang heiser. »Bring Elena hinein.« Sie wandte sich wieder ihrer Aufgabe zu, aber ihre Arme brannten von der Anstrengung, den Stock über ihren Kopf zu halten, und sie musste ihn sinken lassen.
Brigid ging zu ihr. Ihr Kleid schlotterte um ihren schmalen Körper, Hüften und Schlüsselbeine zeichneten sich unter dem dünnen Stoff ab. Ihre schwarzen Locken fielen ihr über den Rücken. Sie war erst Mitte zwanzig, sah aber mit dem verhärmten Gesicht und den gehetzt blickenden Augen deutlich älter aus. Doch in ihrer Stimme schwang eine erstaunliche Kraft mit. »Was tust du da, Tante?«
»Angus sagt, Robert Bruce hat sich dem englischen König ergeben. Er hat uns im Stich gelassen.« Affraigs Blick wanderte zu dem Netz. »Ich werde sein Schicksal vom Baum reißen!« Während sie diese Worte förmlich ausspie, formte sich vor ihrem geistigen Auge das Bild von Robert, wie er vor fünf Jahren an ihrem Feuer gesessen und zugesehen hatte, wie sie Geißklee, Heidekraut und Wermut zu einem Reif flocht. Der in seinen blauen Augen leuchtende Ehrgeiz hatte
Weitere Kostenlose Bücher