Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
gehaltenem schwarzem Haar wirkte sie immer noch zerbrechlich, aber weicher, weniger spröde. Mit ihren fast siebzehn Jahren stand sie an der Schwelle zur Frau. Sie sah ihn nicht an, sondern hielt den Blick gesenkt, als er an ihr vorbeischritt. Robert spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. Das Schicksal – und ihr Vater – hatten einen gnadenlosen Sinn für Humor. Er ging weiter, vorbei an Bischof Bek und einem alten Mann in einem cremefarbenen Umhang und nahm seinen Platz am Ende der Tafel ein. Als ein Diener herbeieilte, um ihm Wein einzuschenken, wurde Robert bewusst, dass der alte Mann in dem Umhang ihn anstarrte. Eine eisige Faust schloss sich um sein Herz. Der Mann war sein Vater.
In den sechs Jahren, die Robert ihn nicht gesehen hatte, war das schwarze Haar des Lords of Annandale grau und schütter geworden. Auf dem Scheitel hatte sich eine einer Mönchstonsur gleichende kahle Stelle gebildet. Seine Nase war von feinen Äderchen durchzogen, die Haut um Kinn und Hals schlaff geworden. Einst breit und muskulös gebaut, hatte er jetzt Fett angesetzt, der voluminöse Umhang vermochte den stattlichen Bauch nicht zu kaschieren. Doch die Augen, diese eiskalten blauen Augen, hatten sich nicht verändert. Robert las hundert Enttäuschungen und tausendfaches Bedauern über vertane Gelegenheiten darin. Mit einer Hand umklammerte sein Vater einen Weinkelch. Seine Augen wurden schmal, als er den Blick voller Groll und Anklage auf seinen Sohn heftete. Er machte Anstalten, etwas zu sagen, doch in diesem Moment erhob sich der König, und die Gäste in der Halle verstummten, bis nur noch die Schritte der Diener und das Klirren der Löffel zu hören waren. Auch der Lord of Annandale setzte nur schweigend seinen Kelch an die Lippen.
»Heute Abend feiern wir die Verlobung meiner geliebten Tochter Elizabeth mit Earl Humphrey.« König Edward hielt inne, um Jubel aufbranden zu lassen.
Robert registrierte benommen, dass sein Bruder am Tisch unter ihm mit vor Schreck geweiteten Augen zu ihrem Vater emporstarrte. Als er nach seinem Wein griff, stellte er fest, dass seine Hand zitterte. Der König sprach weiter, doch Robert nahm kaum ein Wort bewusst wahr.
»Ferner feiern wir die bevorstehende Hochzeit von Lady Elizabeth de Burgh, Tochter des ehrenwerten Earl of Ulster, mit Sir Robert Bruce.«
20
In der Nähe von Turnberry, Schottland, A.D. 1302
DIE IN GEMUSTERTE WOLLENE UMHÄNGE gehüllten Gestalten kamen langsam näher. Der ältere der beiden Männer kämpfte sich mühsam durch den Schneematsch, der jüngere trug zwei Eimer. Affraig trat die Stufen hinunter, um ihnen entgegenzugehen, und blinzelte in den Wind, der die Äste der Eiche knarren und seufzen ließ. Die mit den sich langsam drehenden Netzen geschmückten Zweige waren so kahl wie Geweihsprossen. Sie bemerkte, dass der ältere Mann den Kopf hob, als er darunter hinwegschritt, und sich bekreuzigte. Früher einmal hätte sie sich über dieses Ritual lustig gemacht, weil sein Glaube eindeutig so schwach war, dass er sich bemüßigt fühlte, zu ihr zu kommen. Sie hatte ihre Macht über die Dorfbewohner, die verzweifelten oder tiefen Groll empfanden, wenn Gott ihre Gebete nicht erhörte, immer genossen. Jetzt ließ sie dem Mann diese Geste durchgehen. Ein Gebet war ein Gebet.
»Angus«, begrüßte sie ihn schroff. »Was hast du mir mitgebracht?«
»Milch und Eier«, schnaufte Angus. Sein Gesicht war vom Wind gerötet. »Und Ade hat Euch drei Kaninchen abgehäutet. Ihr erhaltet sie, wenn Ihr noch ein Amulett für unsere kleine Mary anfertigt.« Ein flehender Ausdruck trat in seine wässrigen Augen. »Sie hat wieder Fieber bekommen. Viel schlimmer als beim letzten Mal.«
Affraig verspürte einen Anflug von Zorn, obwohl sie nicht wusste, warum. »Stell sie bei der Tür ab«, befahl sie dem schlaksigen Jugendlichen mit den Eimern unwirsch. Als er zum Haus hinüberging, zog sie einen Beutel aus ihrem Gürtel und reichte ihn Angus. »Die Kräuter für deine Frau.« Als er sie entgegennahm, fügte sie hinzu: »Bring deine Familie in das Dorf zurück. Deine Tochter braucht Wärme und Trockenheit. Amulette sind auch kein Allheilmittel. Man muss für den Körper ebenso sorgen wie für die Seele.«
Doch Angus schüttelte bereits den Kopf. »Die, die zurückgegangen sind, sind allesamt Narren. Was hat es denn für einen Sinn, die Häuser wieder aufzubauen und mit einer neuen Aussaat zu beginnen, wenn die englischen Hunde doch alles wieder niederbrennen? Nein«, schloss er
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