Krieger des Lichts: Ungezähmtes Herz (German Edition)
auf den Tempelhof blicken konnte, gerade als die Sonne wieder zum Vorschein kam. Auf dem ganzen Gelände blitzte Stahl auf, die Schwerter in den Händen ihrer Kriegerinnen, ihrer Freundinnen. Dutzende von ihnen standen wie Roboter und mit leerem, verzaubertem Blick in lockerer Gefechtsformation da.
Brielle trug ihre dunklen Haare offen, und der kalte Wind wehte sie ihr um die Schultern. Ariana hatte das Gefühl, als würde ein Messer in ihrem Bauch umgedreht werden. Welches Monster brachte es fertig, sie dazu zu zwingen, ihre eigenen Leute niederzumetzeln, um an ihn heranzukommen? Andererseits waren sie, wie Melisande sagte, doch eigentlich schon tot. Das Gift, vor dem Ariana sie so lange bewahrt hatte, würde ihnen genauso das Leben stehlen, wie Hookeye ihren Willen geraubt hatte.
Ihre Augen brannten, als sie heiße Tränen vergoss, die der kalte Wind von ihren Wangen fegte. Große Traurigkeit stach ihr ins Herz und hinterließ Wunden, von denen sie wusste, dass sie niemals heilen würden.
Wie sollte sie solch einen Verlust ein zweites Mal überleben? Keiner außer Melisande würde übrig bleiben. Zwei, um eine neue Rasse aufzubauen. Das wäre natürlich möglich. Sie allein konnte den Zauber der Wiedergeburt heraufbeschwören und neue Ilinas auf dem Altar des Lebens hervorbringen, jetzt, wo sie sich wieder in Nebel verwandeln konnte. Sie und Melisande würden ihnen alles beibringen, was sie wissen mussten.
Doch noch während sie sich vorstellte, was sie zu tun hätte, brach ihr das Herz ob der Notwendigkeit, es überhaupt tun zu müssen. Wie sollte sie nur ohne Brielle und Getrill und all die anderen weitermachen? Sie würde es tun müssen, weil sie einfach keine andere Wahl hatte.
Oh heilige Göttin, das wird mich zugrunde richten .
Der Wind war eisig, doch die Kälte der Luft war nichts im Vergleich zu der bitteren Kälte in ihrem Herzen.
Sie spürte, wie Kougar neben sie trat, wie seine Hand unter ihr Haar glitt, sich um ihren Nacken legte. Wärme. Kraft. Er gab ihr beides und noch mehr, stützte sie, zog sie ins Hier und Jetzt zurück.
Nach einem stockenden Atemzug spürte sie, wie sich der dunkle Abgrund zurückzog. Für einen Augenblick zumindest.
Sie durfte ihn nicht auch noch verlieren. Sie brauchte ihn, um existieren zu können. Ohne Kougar würde ihr Leben nie vollständig sein. Das war ihr jetzt klar.
Aber würde er ihr jemals verzeihen können, dass sie ihn vor all den Jahren getäuscht hatte? Würde er je lernen können, ihr so zu vertrauen, wie er seinen Kriegerbrüdern vertraute? Würde er sie irgendwann wieder so lieben können, wie sie ihn liebte?
Seine warmen Finger massierten die Anspannung aus ihrem Nacken. »Wir werden dir Deckung geben und dich da reinbringen«, versprach er ruhig.
»Nein.« Sie berührte das Schwert, das fest in ihrer Hand lag, das Schwert, das sie im Haus des Lichts von ihm verlangt hatte. Sie drehte den Kopf und begegnete einen kurzen Moment lang seinem Blick. »Ich werde mir den Weg genauso freikämpfen wie ihr.«
Als sie sich wieder dem Hof zuwandte, ließ er sie los, und gleich danach spürte sie einen leichten Druck auf ihrem Kopf. Er hatte sein Kinn auf ihr Haar gelegt. »Meine Kriegerkönigin«, murmelte er so leise, dass sie es kaum hören konnte.
Seine Worte verliehen ihr Kraft, und allein schon die Art, wie er das Wort meine sagte, gab ihrem Herzen neue Hoffnung.
»Das war das verflucht allerletzte Mal, dass ich mit einer Ilina gereist bin«, murrte Jag, als die Krieger zu ihnen stießen.
»Irgendein Zeichen von Hookeye?«, fragte Kougar sie.
»Nein.« Sie hatte sich so sehr auf ihre Kriegerinnen konzentriert, dass sie gar nicht nach dem Zauberer Ausschau gehalten hatte. Doch als sie den Blick wieder auf den Tempel richtete, sah sie nur ein paar Zauberer hier und da und keinen, der demjenigen ähnelte, dem sie den Tod wünschte. Wahrscheinlich hockte er gut geschützt in seinem Labor, in dem Raum aus seinem Traum, und arbeitete gerade an irgendeinem Zauber, der die Krieger ein für alle Mal vernichten sollte.
Sie blickte zu Kougar und sah, dass er litt, während er sie mit tiefer, fürsorglicher Wärme beobachtete.
»Du hast Schmerzen«, sagte sie leise.
Seine Finger strichen über ihre Wange. »Deinetwegen.«
Das Band um ihre Brust zog sich enger zusammen, während erneut Tränen in ihren Augen brannten und sie zwangen, sich abzuwenden, bevor sie dem fürchterlichen Drang nachgab, ihrem Kummer noch an Ort und Stelle freien Lauf zu
Weitere Kostenlose Bücher