Krieger des Universums
gelangweilt drein, als gäbe es nichts, was ihr fremd sei. Sah ein Mann sie an, fühlte er sich von dem Gesichtsausdruck herausgefordert und mußte gleichzeitig jäh erkennen, daß er nichts anderes darstellte als ein einziges Glied in einer unendlich langen Kette. Er bedeutete nicht mehr als eine augenblickliche Zerstreuung, die im Moment des Erlebens schon Vergessenheit wurde. Aber hinter diesem Ausdruck der Langeweile war das Gesicht der Göttin klug und von einer vorsichtigen Resignation beherrscht – da sie alt und erfahren war, hatte sie die Vergeblichkeit aller Bemühungen längst erkannt und durchschaut. Jedenfalls war sie eine weitaus angenehmere Person als Kraim mit seinem mürrischen Ausdruck.
»Wann war das?« fragte Cade. Er schätzte ihr Alter auf siebenundzwanzig, allerhöchstens dreißig Jahre.
»Vor fünf Herbsten!« erklärte sie. »Alle strömten aus den Hütten; eben war meine Vorgängerin gestorben, eine alte Frau von unüberbietbarer Herrschsucht.
Sie feierten mich als neue Königin. Ich wußte ziemlich genau, was ich zu tun hatte. Ich kannte die Religion und das besondere Problem dieses Stammes. Wie die absoluten Königinnen hatte meine Vorgängerin neun Zehntel des Stammes in Sklavenfron und schwerster Arbeit festgehalten. Und alles nur darum, weil sie erkannt hatte, wie man die Frauen hier unterdrückt und der Gleichberechtigung mit den Männern beraubt hatte. Das war die Saat, die ich vorfand. Ich entwickelte innerhalb eines Jahres mit List und Gewalt, mit Versprechungen und Strafen ein System, das seit dieser Zeit funktioniert.«
»Ich ziehe zwar die klassische Form vor, aber sicherlich geht es auch anders.«
T’amuro entgegnete bitter:
»Eine Frau muß sein wie eine Schnecke – häuslich, nicht wahr?«
»Das Glück«, meinte Cade versonnen, »ist eine leichtfertige Person, die sich schminkt und von fern sehr schön aussieht. Was ist Glück? Das Matriarchat kann es nicht garantieren. Wo gibt es Glück? Überall und nirgends. Es gibt keine sichere Methode.«
»Aber es gibt Methoden, die als unsicher und schlecht erkannt sind. Wir kennen keine Hungersnöte – die Männer sind emsig und fleißig. Es gibt keine Kriege – die Waffen haben wir in den Händen. Außerdem sind Frauen viel tapferer und kennen keine Einbildungen. Das sagte auch Orcido, der nun wirklich ein weiser Mann ist.«
Mandor und Aroro verließen den Tisch. Zwei Amazonen zogen sie an der Hand hinter sich her. Cade glaubte, Belustigung in den Augen T’amuros zu sehen. Unverändert spielte diese einlullende Musik hinter den Hütten. Da die Musikanten unsichtbar blieben, schien es sich um Männer zu handeln. Sicherlich hatten sie auch das Essen zubereitet. Er schüttelte den Kopf und sagte:
»Sicher ist Orcido ein Weiser. Wer aber ist Orcido?«
»Ein Wandernder.«
»Das erklärt, was er tut, nicht aber, was er ist.«
Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. Ihr langes Haar bewegte sich wie ein Vorhang aus schwerem Stoff.
»Orcido«, antwortete sie träumerisch, »ist ein großer, schlanker Mann. Er hat langes weißes Haar und muß sehr alt sein, aber er bewegt sich wie ein Mann in mittleren Jahren. So wie du. Fremder.«
»Danke«, meinte Cade trocken. »Bisweilen schwanke ich auch.«
»Er trägt ein Buch mit sich und scheint alles zu wissen. Er beriet mich hier. Alles, was ich über die Führung eines Stammes weiß, weiß ich von ihm. Zu seiner Zeit war er ein großer Heerführer.«
Ein ausnehmend hübsches Mädchen, etwa drei-, vierundzwanzig Jahre alt, nahm Storzia bei der Hand und zog ihn mit sich. Der Gardist sah Cade fragend an. Cade nickte leicht. Erleichtert huschten Storzia und das Mädchen davon.
»Sie ist sehr schön«, sagte Cade. »Deine Tochter?«
T’amuro schüttelte den Kopf.
»Nein, ich habe keine. Mokanji ist sehr stolz und sehr wild. Sie wird euch morgen bis an die Grenzen der Thorkan Qy begleiten.«
»Das ist gut. Woher kommt Orcido?«
»Er kommt dorther, wohin ihr reiten wollt. Vermutlich aus der Stadt auf den Hochflächen. Sicher weiß er auf alle deine Fragen eine Antwort. Er wußte auch auf fast alle meiner Fragen gute Antworten.«
Zweifellos verehrte sie ihn wie einen Vater, der durch seinen Rat das Fundament zu ihrer Stellung gelegt hatte.
»Du hast ihn gefragt, woher du in Wirklichkeit kommst?«
»Ja.«
»Was antwortete er?«
»Nichts. Er wußte es nicht.«
»Wo ist er jetzt?«
»Ich weiß es nicht. Aber es kann sein, daß du ihn triffst. Wie ist sie
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