Kriegerseelen
Ungewissen zu sein, und dann nach ihrer Rettung zu erfahren, dass ihre Eltern tot waren. Angeblich bei einem Unfall ums Leben gekommen. Zuerst hatte er ihr ja verbieten wollen, das Haus, in dem sie aufgewachsen war zu betreten. Doch Chan Ko, von dem ihr große Gefahr drohte, war inzwischen tot. Rock hatte ihn zur Strecke gebracht und dafür mit seinem Leben bezahlt. Der Schmerz über den Verlust seines Bruders war immer noch groß. Manchmal hoffte Thorn, er würde irgendwann aufwachen und alles war nur ein Traum.
Seit Lili den Time Out Chip entdeckt hatte, suchte sie fieberhaft nach einer Lösung, ihn zu deaktivieren. Jake Baxter, Caras Vater war an Forschung und Entwicklung verschiedener Projekte beteiligt. Er arbeitete dort unter strenger Geheimhaltung. Die Chance, dass er etwas von dem tödlichen Chip gewusst hatte, stand gut. Thorns Gefährtin hatte darauf bestanden, ihr Elternhaus aufzusuchen. Sie wollte jede Möglichkeit nutzen, um die drohende Gefahr zu bannen. Der Krieger machte sich nicht viele Hoffnungen, doch Cara ließ nicht locker, und so hatten die beiden sich heute Morgen auf den Weg gemacht. Die junge Frau ging langsam zu der großen Treppe und stieg die Stufen hinauf. Wie erwartet war die Eingangstür verschlossen. Ihr Blick schweifte über die Einfahrt und blieb an der großen Tanne hängen. Der mächtige Baum, den sie so geliebt hatte, stand fest verwurzelt, wie sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, und trotzte noch immer Sturm und Wind. Sie eilte die Treppen wieder hinunter und schlüpfte unter seine weit herunterhängenden Zweige, die den Boden berührten. Thorn folgte ihr verwundert.
Cara umrundete den Stamm und lächelte Thorn triumphierend an. »Ich wusste, dass er noch da ist.« Sie musste sich ein wenig strecken, um an den kleinen Nistkasten heranzukommen. Schließlich gelang es ihr und sie öffnete ein kleines Türchen an seiner Rückseite. Ihre Finger tasteten umher und wenig später hielt sie einen Schlüssel in der Hand.
»Mein absolutes Geheimversteck«, grinste sie. »Dad hat mich immer ausgelacht, und Mum wusste gar nichts davon. Aber ich fand es immer spannend als Kind, den Schlüssel hier herauszuholen. Natürlich brauchte ich vor ein paar Jahren noch eine Leiter dazu.«
Thorn grinste zurück. Es gefiel ihm, sich vorzustellen, wie Cara als kleiner Wildfang unter der Tanne gespielt hatte.
Zum zweiten Mal gingen sie die Treppe hinauf und Cara hielt den Atem an, als sie den Schlüssel in das Schloss steckte. Er passte. Einen kurzen Moment hatte sie befürchtet, jemand hätte das Schloss ausgetauscht.
Mit einem leise knarrenden Geräusch schwang die Tür auf. Drinnen roch es staubig und unbewohnt. Die Eingangshalle war leer, die Türen, die zu den Räumen im Erdgeschoss führten, waren geschlossen.
Cara fasste nach Thorns Hand und zog ihn mit sich.
»Komm, wir sehen uns zuerst in Dads Arbeitszimmer um, es ist oben.« Eilig liefen sie die Treppe hinauf. Jakes Büro lag auf der rechten Seite des Flurs. Diese Tür war nur angelehnt. Als Cara sie aufstieß, hielt sie die Luft an. Chaos im ganzen Zimmer. Jemand hatte sämtliche Schubladen herausgerissen, Schränke durchwühlt und Ordner auf den Boden geworfen.
»Mein Gott«, entfuhr es ihr. »Da hatte wohl jemand die gleiche Idee.« Wütend drehte sie sich um die eigene Achse.
»Wir hätten früher kommen sollen.«
Thorn hatte schon befürchtet, dass jemand Baxters Arbeitszimmer bereits auf den Kopf gestellt haben könnte. »Lass uns gehen. Hier ist nichts, was uns weiterhilft«. Er streckte die Hand nach Cara aus und zog sie in seine Arme. Sofort schmiegte sie sich an ihn und an ihrem Zittern merkte er, wie sehr sie das alles mitnahm. Er küsste zärtlich ihre Stirn und ihre Nasenspitze. Cara konnte sich nicht losreißen und sah immer noch fassungslos auf die Verwüstung. Schließlich löste sie sich aus den Armen ihres Kriegers. »Ich möchte mein Zimmer sehen. Komm mit.«
Thorn folgte ihr den Gang hinunter. Sie öffnete eine Tür und betrat ihr Mädchenzimmer. Es war ein großer heller Raum. Neben einem Kingsize Bett standen eine gemütliche Couch und ein alter Schaukelstuhl darin. Das Zimmer sah aus, als hätte sie es gestern erst verlassen. Auf dem Nachttisch stand ein Familienfoto, das die Baxters zeigte. Ihre Mutter wirkte ein wenig distanziert darauf, dafür strahlte Cara mit ihrem Vater um die Wette. Regale an den Wänden waren mit Büchern gefüllt und eine Reithose lag über einem Stuhl. Cara öffnete eine weitere
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