Kriegerseelen
sich auf den Weg in den Garten. Er war ein gnadenloser Killer, der ohne mit der Wimper zu zucken kaltblütig tötete. Doch als er dem Treffpunkt näher kam, breitete sich ein seltsames Gefühl in ihm aus. Der Gedanke Juno wiederzusehen, wühlte ihn auf.
Das schmiedeeiserne altmodische Tor, das den privaten Bereich vor neugierigen Besuchern schützen sollte, stand einen Spalt offen. Sie war bereits da. Mit geübtem Blick suchte er die Überwachungskameras und schaltete sie aus, indem er die Linsen berührte. In seinen Fingerspitzen floss genügend Strom, um sie sofort zu zerstören. Er würde sich später Gedanken darüber machen, wie er das seinem Boss erklären sollte. Nachdem er durch das Tor geschlüpft war und sich dem Brunnen näherte, scannte er die Umgebung. Heiß pochte das Blut in seinen Adern und über seine Haut prickelte Elektrizität, als er sie sitzen sah. Juno. Sie saß auf einer steinernen Bank und war so tief in ihre Gedanken versunken, dass sie ihn erst bemerkte, als er vor ihr stand. Sie trug ihre Kampfkleidung. Rotes Leder schmiegte sich um ihren Körper wie eine zweite Haut. Über ihr Gesicht glitt ein strahlendes Lächeln. Als sie aufstand, bewegte sie sich geschmeidig wie eine Katze. »Darf ich dich berühren?«
Er musste schlucken und seine Stimme klang rau, als er antwortete. »Warte einen Moment, ich muss es unter Kontrolle bringen.« Juno wusste zu gut, dass sie ihn erst berühren durfte, wenn er es ihr erlaubte. Der Krieger musste alle Selbstbeherrschung aufbringen, um für sie nicht zur tödlichen Gefahr zu werden. Als er schließlich nickte, streckte sie die Hand nach ihm aus und legte sie an sein Gesicht. »Es ist so schön, dich wiederzusehen.« Ihre Stimme klang bedrückt, als sie fortfuhr. »Ich fühle mich zum ersten Mal seit langem wieder wie eine Kriegerin. Dazu wurde ich doch von ihm erschaffen.« Jetzt klang sie trotzig. Er lächelte. So kannte er seine Juno. Und sie hatte Recht. Sie würde verkümmern, wenn Prokojev sie nicht das sein ließ, wofür sie bestimmt war. Sie war so wunderschön, wie sie vor ihm stand. Die Wärme ihrer Hand brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Erst als sie leise aufschrie, weil sie einen elektrischen Schlag abbekommen hatte, biss er die Zähne zusammen um seine Gabe unter Kontrolle zu halten. Er musste sich beherrschen. Sie waren hier, um gemeinsam den Mörder der jungen Frau zu finden. Das hatte oberste Priorität. Juno stand immer noch so nahe bei ihm, dass er ihre Körperwärme spüren konnte. Sie war die pure Sünde. Der Lederoverall verbarg nichts von ihrem perfekten Körper und Tristan spürte, wie sein Geschlecht sich regte. Still verfluchte er seine Besonderheit. Denn es war nicht nur eine überaus nützliche Gabe, es war gleichzeitig auch ein Fluch. Niemals würde er mit einer Frau zusammen sein können. Die Erregung, die ein solch intimer Körperkontakt hervorrief, machte es ihm unmöglich den Stromfluss auf seiner Haut zu kontrollieren. Er machte einen Schritt zurück und konzentrierte sich auf den Grund ihres Treffens. In knappen Worten brachte er sie auf den neuesten Stand. Mit ernster Miene hörte sie ihm zu. »Lass uns gehen, ich muss die Leiche sehen und riechen. Ich bin mir sicher, dass ich herausfinden kann, wer dafür verantwortlich ist.«
Tristan nickte. »Das habe ich gehofft.« Er wandte sich dem Ausgang zu. »Komm mit, ich habe veranlasst, dass die Tote in einen der Kellerräume gebracht wird. Dort gibt es einen Seiteneingang, wo niemand dich sehen kann. Valentin sorgt dafür, dass wir ungestört sind.«
Zusammen verließen sie den Garten und schlüpften ungesehen durch die Seitentür, in den gefliesten Raum, in dem der Leichnam der Frau lag. Juno trat nahe an sie heran. Sie lag nackt auf einem Edelstahltisch, der auch für Obduktionen hergenommen wurde. Ihre Gesichtszüge waren entspannt, es wirkte, als würde sie schlafen, wenn man davon absah, dass ihre Haut eine gräuliche Färbung angenommen hatte. Konzentriert ging Juno um den Tisch herum und sog tief die Gerüche ein, die der Körper der Toten abgab. Am intensivsten war der Geruch des Todes. Die Kriegerin war eine Witterin, die es hervorragend verstand alle Düfte zu filtern und zuzuordnen. Es roch süßlich, metallisch. Darunter war nur noch ein Hauch des ureigenen Duftes der Frau wahrzunehmen. Herbstlaub und Regen entschied Juno. Sie beugte sich ganz nahe zu den Füßen hinunter und sah sie die Einstichstelle, von der Tristan ihr erzählt hatte. Hochkonzentriert
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