Kriegerseelen
Rhythmus, den er, wenn es nötig war, einen ganzen Tag lang einhalten konnte. Seine Pulsfrequenz erhöhte sich kaum merklich und sein Atem ging regelmäßig. Ihm war klar, dass Juno keine Spuren hinterlassen hatte, doch er kannte nur einen Ort, an dem sie sein konnte. Die Höhle. Sie musste einfach dort sein. Inzwischen war die Nacht mit aller Macht angebrochen. Für den Krieger keine Herausforderung, da seine Augen mit modernster Nachtsichttechnik ausgerüstet waren. Er war schon eine Weile unterwegs, als er das leise Summen einer herannahenden Drohne vernahm. »Verdammt.« Er fluchte laut. Der einzige Schutz, der in der öden Landschaft zu sehen war, war ein kleiner Steinhaufen. Tristan sprintete darauf zu und ging dahinter in Deckung. Dann wartete er. Das Summen wurde lauter. Er zückte seine Laserwaffe. Wenn er die Drohne abschoss, hatte er ein Problem. Das war ganz offensichtlich ein Akt der Meuterei. Doch ihm blieb keine andere Wahl. Tat er es nicht, würden sie Juno aufspüren und ausliefern. Der Befehlsempfänger rang mit dem Mann in ihm. Aber eigentlich war es in dem Moment klar, in dem er sich aufgemacht hatte, sie zu suchen. »Scheiß auf Prokojev. Ich lasse nicht zu, dass er sie bekommt.« Er sprach es laut aus und programmierte gleichzeitig die Zieleinrichtung auf ein bewegliches Ziel. Diese moderne Waffe war ein Wunderwerk. Man musste keine Treffsicherheit besitzen, es genügte eine präzise Programmierung. Der Falke war ganz nah. Tristan zwang sich, den perfekten Zeitpunkt abzuwarten und löste den Laserstrahl genau im richtigen Moment aus. Mit einem gleißenden Blitz traf er auf die metallene Oberfläche und die Drohne explodierte noch in der Luft. Für einen Augenblick war der Nachthimmel hell erleuchtet, und Sekunden später fielen die kleinen glühenden Teilchen vom Himmel. Jetzt war es Zeit, weiter zu ziehen. Es würde nicht lange dauern, und Prokojev erfuhr vom Verlust seines Spähers. Zur Höhle waren es noch etliche Kilometer, die Tristan jetzt in maximaler Geschwindigkeit zurücklegte. Vor dem Felsmassiv machte er Halt. Seine Fähigkeiten ermöglichten es ihm, mit einem kraftvollen Sprung einen Teil der Höhe zu überwinden. Dann war seine Fingerfertigkeit gefragt. Konzentriert arbeitete er sich den schmalen Sims entlang, den gleichen Weg, den wenige Stunden zuvor die Kriegerin genommen hatte. Als er die Höhle mit geschärften Sinnen betrat, machte sein Herz einen Satz. Da lag sie. Zusammengerollt auf einem Wolfsfell. Er glaubte nicht, dass sie schlief, doch sie war in einer tiefen Erholungsphase versunken. Eine Welle von Zärtlichkeit überrollte ihn. Leise trat er näher und betrachtete sie. Er hätte ihr so gerne über ihr Haar gestreichelt, doch es war zu gefährlich. Zu aufgewühlt war er, als dass er sich kontrollieren konnte. Also ließ er sich geschmeidig neben ihr nieder und sah ihr einfach nur zu, wie sie regelmäßig ein - und ausatmete. Juno schlief tatsächlich nicht. Sie hatte sehr wohl bemerkt, dass Tristan die Höhle betreten hatte. Die Augen geschlossen verharrte sie bewegungslos und atmete gleichmäßig weiter. Was führte ihn hierher? Würde er ihr helfen? Tausend Fragen gingen ihr durch den Kopf, als er plötzlich zu reden begann.
»Ich spüre, dass du nicht schläfst. Du kannst also ruhig die Augen aufmachen.« Ein bisschen aus Trotz kniff sie jedoch weiterhin ihre Lider zusammen. »Ach Juno, komm. Ich habe so ziemlich alles riskiert, dich hier zu finden. Glaubst du, alle Probleme lösen sich in Luft auf, wenn du sie ignorierst?« Tristan klang erschöpft. Juno wusste genau, dass es nicht der Weg hierher war, der dem Krieger zu schaffen gemacht hatte. Vielmehr die Tatsache, dass er überhaupt hier war, und das offensichtlich ohne Wissen Prokojevs. Sie schlug die Augen auf und setzte sich auf. Als sie seinem Blick begegnete, fragte sie sich wohl zum hundertsten Mal, weshalb er so unerreichbar war für sie. Sie fuhr sich durchs Haar und vermied weiteren Blickkontakt.
»Weiß er, dass du hier bist?« Der Krieger schüttelte den Kopf. »Nur Valentin weiß davon«.
Sein Körper versteifte sich, »ich habe gerade einen Falken abgeschossen.«
Juno hielt den Atem an. »Er hat seine Drohnen losgeschickt, um mich zu suchen?« Als Tristan nickte, wurde ihr bewusst, in welche Gefahr sie sich und ihren Kameraden gebracht hatte. Sie musste wissen, ob ihre Mutter in Sicherheit war. »Tristan, was ist mit Eve? Weißt du davon?«
Wieder nickte der Krieger. »Oh ja, und Prokojev weiß
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