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Kriegsenkel

Kriegsenkel

Titel: Kriegsenkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Bode
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Das werde aber als völlig normal empfunden, im Sinne von: Das Leben hat nun mal viele Baustellen, basta. Vermutlich würden seine Kollegen in einem ständig ausgereizten Dispokredit nichts anderes als eine weitere Baustelle sehen.
    Bilak aber konnte sich an sein gedankenloses Geldausgeben nicht gewöhnen. Er erhoffte sich Besserung durch ein Seminar zum Thema »Geld und Charakter« und andere Angebote zur Selbsterfahrung. Sie vermittelten ihm interessante Einsichten, brachten aber keine entscheidende Besserung. Er suchte weiter und hörte genau zu, wenn im Freundes- oder Bekanntenkreis erzählt wurde, man habe von bestimmten Veranstaltungen und Trainern profitiert. Schließlich, im Jahr 2004, entschied er sich, an einer Familienaufstellung teilzunehmen. Wann immer über Familienaufstellung berichtet wird, fällt der Satz: »Es ist ein Phänomen«, und zwar deshalb, weil bis heute keine schlüssigen Antworten auf die Frage gefunden wurden, was genau bei der Methode wirkt. Fest steht, die Seminare und Workshops stoßen auf großes Interesse bei Menschen, die mehr über ihr Familien-Beziehungssystem erfahren wollen. So auch Robert Bilak. Es gab so viele Fragen, die er seinen Eltern nicht stellen konnte, bzw. auf die er nie eine zufrieden stellende Antwort erhalten hatte.
    Eines der größten Rätsel war das Verhalten seiner Mutter ge [47] genüber dem Vater. Äußerlich sah es so aus, als führten seine Eltern eine gute Ehe. Sie stritten nicht. Robert Bilak erinnert sich durchaus an liebevolle Szenen. Seine Mutter war stets bemüht, pünktlich das Essen auf den Tisch zu stellen, denn ihr Mann – ganz Patriarch – nahm die kleinste Verzögerung übel. »Vater war ein Pedant«, beschreibt ihn der Sohn. »Ich fand, er unterdrückte meine Mutter.« Sie wehrte sich nicht, aber wenn ihr Mann den Raum verlassen hatte, zeigte sie ihrem Sohn gegenüber eine völlig andere Seite. »Dann wurde der Vater schlecht gemacht. Dann hieß es, er habe Komplexe, er sei zu sparsam, er könne sich nicht freuen.« Immer neue Gründe brachte seine Mutter vor, um zu zeigen, warum ihr der Ehemann nicht genügte, und Robert fragte sich: Warum bleibt sie bei ihm, wenn sie ihn nicht achten kann? Vor allem aber: Was brachte sie dazu, hinterrücks das Familienleben vergiften? Sie konnte damit einfach nicht aufhören. Noch als erwachsener Mann hatte er größte Mühe, sie zum Schweigen zu bringen.
    Die Mutter gönnte ihm keine Geheimnisse
    Er fand es grundsätzlich schwer, sich gegenüber seiner Mutter zu behaupten. »Sie wirkte als Person völlig unaggressiv«, beschreibt er ihr Verhalten, »aber sie respektierte keine Grenze. Sie war jemand, der zwar an die Tür klopft, aber dann sofort im Raum steht.« Noch als Pubertierender, erzählt er, sei er von ihr gedrängt worden, zu tun, was er eigentlich nicht wollte. Von der Schule heimgekehrt, habe er ihr alles Vorgefallene berichten müssen. »Mit ihrem hypnotischen Blick hat sie fast alles aus mir herausgelockt.« Robert Bilak machte also schon früh die Erfahrung, dass seine Mutter ihm keine Geheimnisse gönnte. Aber nie – bis er an der Familienaufstellung teilnahm – wäre er auf die Idee gekommen, dass die Mutter ihrerseits ein großes Geheimnis vor ihm verbarg.
    [48] Bei der Familienaufstellung geht es darum, die gestörten Beziehungen darzustellen, wobei nicht nur die Eltern, sondern auch die Großeltern eine wichtige Rolle spielen können. Dafür werden einzelne Personen ausgewählt und als Stellvertreter der Familienmitglieder im Raum plaziert. Auf diese Weise sollen Verstrickungen unter den Familienmitgliedern sichtbar werden. Im Falle von Robert Bilak schauten sich die Seminarteilnehmer, die seine Mutter und seinen Vater repräsentierten, nicht an. Es wurde deutlich: Er, der Sohn, war quasi der »Ersatzmann«, der seine Mutter glücklich machen sollte, weil der Vater es nicht fertig brachte. Für Bilak war es alles andere als eine neue Erkenntnis. Genau das war ja die Last, die er mit sich herumtrug und die nicht nur seine Gefühle zur Mutter bestimmten, sondern auch zu Frauen, die er liebte. »Meine Vorstellung war: Ich muss meine Freundin um jeden Preis glücklich machen, ja, ich muss sie retten. Dabei wünschte ich mir nichts mehr als eine gleichberechtigte Partnerschaft, doch das kollidierte mit meinem Muster.« Dass er seine problematische Prägung durch seine Mutter kannte, änderte nicht viel. Frühe Konditionierungen äußern sich als Reflexe, und die sitzen tief.
    Interessant

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