Kriegsgebiete
allgegenwärtigen
Vinyl-LP-Covern ein. Das Notebook hatte bequem auf einer Couch Platz
genommen.
»Sparmodus«,
sagte Maik. Sofort fuhr der Computer hoch, währenddessen hob
sich der Tonarm des Plattenspielers knarzend von der schnell
rotierenden Schallplatte.
»Was
willst du hören?«, fragte Maik.
»Ist
mir egal.«
»Das
ist nie egal. Du brauchst den passenden Soundtrack, um durchs Leben
zu kommen.«
»Dann
such mir was Passendes. Ich habe volles Vertrauen.«
Maik
gab sein Passwort am Notebook ein und ging zum Plattenregal. Er
schien eine Weile vor den vielen Platten zu meditieren. Oder zu
warten, bis die bis zur Decke gestapelte Musik von ihm Besitz
ergriff.
Daniel
klickte den Browser an und ging zu Google. Suchbegriffe schossen ihm
durch den Kopf.
»Wie
wär’s mit den Doors?«, fragte Maik.
Gedankenverloren
starrte Daniel auf den Monitor.
»Okay,
vergiss die Doors.«
Daniel
gab die Begriffe »Mord« und »Totschlag« und
»Vermisst« in die Suchmaschine ein. Das erste Ergebnis
war ein Veranstaltungshinweis auf den Dinner-Krimi »Mord am
Filmset«: » Ein
Mordfall im Lokal, in dem Sie gerade speisen! Verbinden Sie
köstliches Essen mit dramatischen Szenen am Nebentisch. Finden
Sie heraus, wer der Mörder war?« Daniel
stellte sich schlecht geschminkte Laiendarsteller übertrieben
gestikulierend am Nebentisch vor, während er verzweifelt
versucht, seinen Wildhasen an Preiselbeerrahm zu verspeisen. » Preis
nur 69,- € (incl.
Aperitif und Vier-Gänge-Menü)«. Vielleicht
sollte er sich auch etwas Künstlerisches einfallen lassen, um
der drohenden Zwangsversteigerung seines Hauses zu entgehen.
Irgendwas mit Kochen. Kochen kennen die Leute aus dem Fernsehen. Auch
die nächsten Suchergebnisse gaben nicht viel her. Ein versuchter
Raubmord in Stuttgart und ein Verdächtiger, der in einem
Rocker-Mordfall festgenommen worden war. Daniel ging auf Bildsuche.
Ein Betonquader, den Daniel erst für eine Drei-Felder-Turnhalle
hielt, der sich dann aber doch als die Justiz-Akademie Brandenburg
entpuppte. Und ein Fahndungsfoto von Charles Manson. Daniel erkannte
Manson sofort. Timo trug in Afghanistan oft ein blaues T-Shirt mit
dem gleichen Foto als Aufdruck. Darunter stand in überdimensionalen
Schreibmaschinenlettern: I
am only what you made me. I am a reflection of you. Einmal
war er mit Timo fast in Streit geraten, weil er nicht verstehen
konnte, warum man unbedingt ein Fan-Shirt von einem Kerl tragen
musste, der zum Star geworden war, weil er hinter ein paar
bestialischen Morden steckte. Daniel klickte auf den Link, um den zum
Foto gehörenden Artikel zu lesen. Manson hatte am 12. November
Geburtstag. An irgendeinem Tag musste auch ein Arschloch Geburtstag
haben.
»Hast
du schon was?«
»Bisher
nicht.«
Google
hatte 44.800 Ergebnisse in 0,25 Sekunden gefunden.
Maik
kam zu ihm und beugte sich über seine Schulter.
»Ist
das Charles Manson?«
»Ja.«
»Du
solltest deine Suche verfeinern.«
Maik
ging zurück ans Plattenregal.
Daniel
wusste nicht, was er in die Tastatur eingeben sollte.
»Wie
wär’s mit was Neuerem?«, fragte Maik. »Zum
Beispiel Nevermind von Nirvana. Auf Nirvana können sich
gewöhnlich alle einigen. Das ist Konsens-Musik.«
»Hast
du eigentlich nur Platten von Leuten, die Probleme hatten, ihr Leben
mit Anstand zu Ende zu bringen?«
Maik
dachte kurz nach, während er sich eine Zigarette anzündete.
»Von
den noch Lebenden weiß man ja nicht, was noch kommt.«
Während
Maik weiter nach einem perfekten Soundtrack suchte, probierte Daniel
noch ein paar Varianten seiner Suchanfrage aus. Erfolglos. Daniel
stöhnte.
»Ich
hab Lust, auf das Scheißnotebook zu schießen.«
»Wie
Elvis. Der hat immer den Fernseher zerschossen, wenn ihm das Programm
nicht gefiel. Was gibst du eigentlich als Suchbegriff ein?«
» Mord und Totschlag und Vermisst .«
»Gib
das Datum mit ein.«
Daniel
hackte 12. November in die Tastatur. Als Suchergebnis erschien
gleich mehrmals das Foto einer rothaarigen Frau. Er beugte sich nach
vorn. Die Fotos waren so klein, dass man die Sommersprossen kaum
erkennen konnte. Mehrmals hintereinander untereinander nebeneinander
sahen die winzigen Bilder aus wie eine gemusterte Tapete. Daniel
konnte seinen Rücken spüren. Er war unentspannt. Und er
begann zu schwitzen. Einen Mausklick weiter war ein Foto groß.
Die Frau lächelte. Lebendig. Wie jemand, der sich nicht
vorstellen konnte, tot zu sein. Daniel rief den Zeitungsartikel auf,
der zu dem Foto der Rothaarigen
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