Kriegsgebiete
gehörte.
»Wie
wär’s mit Rickie Lee Jones?«, fragte Maik.
Daniel
antwortete nicht. Er starrte auf den Bildschirm.
Die
Tote hieß Svenja Stein. Sie hatte in einem Kindergarten in
Eisenach gearbeitet. Ihre Leiche war in einem kleinen Weiher im
Thüringer Wald gefunden worden. Die Polizei machte aus
ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben zur Todesursache.
Daniel starrte das Foto von Svenja an. Sie sah nicht verletzbar aus,
aber sie war es gewesen. Alle sind es. Immer wieder schoben sich alte
Bilder der Wartburg, die er vor ein paar Jahren mit Melanie und Lea
besucht hatte, zwischen seine neuen Gedanken. Die Touristen hatten
Fotoserien von der kleinen Zelle geschossen, in der Martin Luther
unter dem Tarnnamen Junker Jörg das Neue Testament in nur
elf Wochen ins Deutsche übersetzt hatte. Lea musste dauernd aufs
Klo, weil sie zu viel Cola getrunken hatte. Dazu ein Softeis. Daniel
hasste sich dafür, dass er sich nicht konzentrieren konnte.
Etwas in ihm wehrte sich mit aller Macht, sich eine tote Svenja in
einem Fischweiher in Thüringen vorzustellen. In der
zivilisierten Welt.
Maik
beugte sich über seine Schulter.
»Ist
das eine der toten Frauen?«
»Ja.
Svenja. Aus Eisenach.«
»So
eine Verschwendung.«
»Sie
war Kindergärtnerin. Glaubst du, die Kinder mochten sie?«
»Ich
weiß nicht. Das ist ja nur ein Porträt-Foto. Man sieht ja
nichts. Warst du schon mal auf der Wartburg?«
»Ja.«
»Schon
beeindruckend. So viel Geschichte. Weißt du was über das
zweite Opfer?«
»Ich
muss sie noch googeln.«
»Soll
ich bei dir bleiben? Helfen.«
»Was
meinst du damit?«
»Neben
dir sitzen. Was Freunde so machen.«
»Nein,
lass mal. Besser ich verschaffe mir alleine einen Überblick.«
Einen
Überblick über die Toten, dachte Daniel.
»Dann
tüte ich ein paar LPs ein.«
Daniel
hasste sich für die Suchbegriffe, die er eingab. Das Netz hatte
die Morde an diesen Frauen konserviert und jeder Vollhirni mit
Tastatur konnte die Dose wieder aufmachen. Viel zu leicht klebten
sich die kleinen Bilder als Antwort einer Google-Suche
hintereinander. Diesmal eine blonde Frau. Sehr blass.
Anna
Schindler. Abgebrochenes BWL-Studium, danach Schauspielunterricht an
einer privaten Schauspielschule in Ulm. Eine kleine Nebenrolle in der
Fernsehserie Die Rettungsflieger. Aber nix Tolles. Keine
Ärztin oder so, sondern eins von den Unfallopfern. Gastrollen an
verschiedenen Theatern, nie was Festes. In Bad Tölz geboren. In
der Donau bei Ingolstadt tot aufgefunden. Anna hatte dort am Theater
die weibliche Rolle in einem Klassenzimmerstück bekommen, in dem
es darum ging, dass ein Mädchen und ein Junge sich in einer
Schultoilette verstecken, während ein Stockwerk tiefer ein
Amokläufer durch die Gänge zieht. Verdammt, dachte Daniel.
Bisher nur stehende Gewässer. Ein Fluss passte nicht ins
Täterprofil. Da wurde ihm zum ersten Mal klar, dass es sich um
einen Serientäter handelte. Es war egal, ob das Gewässer
floss. Oder stand. Es passte alles zusammen. Er schaute sich das
Gesicht von Anna Schindler an. Vielleicht war sie eine gute
Schauspielerin gewesen. Mit ein wenig Glück hätte sie
irgendwann die Rolle ihres Lebens erhalten. Und den Oscar. Oder
wenigstens den Grimme-Preis.
Hielt
ihn die Polizei etwa für einen Serienmörder?
Das
bin doch bloß ich, dachte Daniel. Ich bringe keine Frauen um,
die den Oscar gewinnen könnten. Das mach ich doch nicht. Bin ich
das Opfer einer Verschwörung? Dafür bin ich nicht wichtig
genug. Verschwörungen gab es nur in Filmen. Jason Bourne war das
Opfer eines Komplotts. Ein Opfer, das sich wehren konnte. Bourne
hatte eine gute Ausbildung. Ich hab auch eine gute Ausbildung, dachte
Daniel. Nahkampf und alles, auch wenn ich nicht noch ein paar Leute
töten könnte, während ich das Treppenhaus runterfalle.
Maik
stellte sich hinter ihn.
»Ist
das die andere?«
»Hast
du so schnell die Platten verschickt?«
»Ich
kann mich nicht aufs Eintüten konzentrieren.«
»Zwischen
den Frauen gibt es keine Verbindung. Die sind grundverschieden.«
Daniel
las die kurzen biografischen Informationen vor und zeigte Maik die
Fotos.
»Es
sind die Orte«, sagte Maik.
»Das
stehende Gewässer passt nicht zum Fluss.«
»Ich
meine nicht die landschaftlichen Ähnlichkeiten sondern die
Fundorte. Die Städte. Mit dem Auto von Eisenach nach Ingolstadt
fährst du auf der A9 an uns vorbei. Oberfranken liegt auf halber
Strecke. Das dritte Opfer wurde genau zwischen den beiden anderen
Tatorten gefunden.
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